When the Music's Over
Zeitpunkt, das Genre zu wechseln. Hatte nicht der alte Asimov mal gesagt, SF-Schreiber könnten alles schreiben? Nun, Freezone war eine Künstlerkolonie – machen wir also Kunst und schreiben Gedichte. Ob der alte Sakamoto auch Möchtegern-Dichter fördern würde? Doc musste laut lachen. Kahia warf ihm einen schrägen Blick zu und stimmte in sein Lachen ein.
»Was meinst du, könnte ich ein Dichter sein?«
»Das ist Freezone, hier kannst du alles sein.«
Als sie am Abend, bepackt mit Einkäufen und Geschichten, zurückkamen, lag das SunCo-Boot nicht mehr an seinem Ankerplatz. Pierce war fort.
Unterwegs
Garfield hatte es geahnt. Er war nicht sonderlich überrascht, als Skadi mit ihren gepackten Sachen vor ihm stand. Sie tauschten einen langen Blick, dann nahm Skadi ihn in die Arme und drückte ihn ganz fest.
»Ich würde nicht gehen, wenn ich nicht wüsste, dass du bei ihnen gut aufgehoben bist«, sagte sie.
»Ich weiß«, murmelte er und merkte, wie ihm der Hals eng wurde. Würde er jetzt etwa losheulen wie ein Baby? »Werden wir uns wieder sehen?«
»Ganz bestimmt.«
Wenn Skadi so selbstbewusst und zuversichtlich klang, durfte er nicht zweifeln. Er vergrub sein Gesicht in dem Robbenfell, das ihre Anorakkaputze umrahmte, und sog den Tiergeruch so tief ein, dass er niesen musste. Sie mussten beide lachen, dann weinten sie noch ein bisschen, lachten wieder und dann war sie plötzlich fort. Garfield sah ihr nach, wie sie den langen Pier entlangging und immer kleiner wurde. Ja, sie würden sich wieder sehen, so musste es einfach sein.
Ali setzte die Kamera ab, als Skadi in seinem Sucher nur noch ein kleiner Punkt war. Was für eine seltsame Art, eine Welt zu entdecken, was für ein seltsames Mädchen. Eines Tages, beschloss er, wenn sich die Dinge wieder normalisiert hätten (was für ein banales Wort angesichts der chaotischen Zeiten, die auf der Erde herrschten), wollte er in den Norden reisen, um herauszufinden, ob alle Menschen dort so ungewöhnlich waren wie Skadi.
Es war eine einstimmige Entscheidung gewesen: Sie würden die Tunnel-Soldaten nach Freezone begleiten und als Gegenleistung würden sie die Story des Jahrhunderts bekommen. Brad und er hatten nach kurzem Überlegen zugestimmt und Faizul schloss sich an. Nach dem Vorfall auf dem Flughafen und Sandrines mysteriösem Verschwinden hätten sie in der Stadt keinen so guten Stand mehr gehabt. Womöglich hätte man sie sogar verhaftet, weil sie zur richtigen Zeit am falschen Ort gewesen waren. Und Sunshine hatte ihnen versichert, dass die Tunnel-Soldaten ihren Kampf gegen die außerirdischen Invasoren fortsetzen würden.
»Hast du alles?« Brad war unbemerkt näher gekommen. »Sie fangen gerade mit dem Umladen an.«
»Na, dann los. Da kommt Sunshine.« Ali und Sunshine klatschten hoch-fünf ab. »Wo steckt eigentlich Faizul?«
»Was glaubst du?«
»Madame Esmeralda? Glaubst du, sie lässt sich die Zukunft vorhersagen?«
»Das, oder sie tauschen Schminktips aus.«
Sunshines Miene machte deutlich, dass sie beides für ausgemachten Schwachsinn hielt. Sie legte den Kopf in den Nacken und blinzelte in die Sonne. Nach all den Wochen, die sie auf der Reise zum Sammelpunkt in den engen, dunklen Wagen verbracht hatten, konnte sie sich nichts Köstlicheres vorstellen als eine frische Seebrise und Sonne.
Sie waren seit drei Tagen in Valencia. Die Hafenstadt glich einer Mischung aus Zirkusstadt und Open Air-Happening. Aus ganz Europa waren sie zum Sammelpunkt angereist – die Künstler und Schausteller – und warteten auf ihren Weitertransport nach Freezone. Für die Tunnel-Soldaten war die Insel ein Geschenk: Ein bunter, unorganisierter Haufen sollte dort leben, und eine Regierung gab es nicht. Dort würden sie ohne Probleme untertauchen können. Später würde man dann weitersehen.
Es waren Nummern ausgegeben worden und alles ging seinen anachronistisch anmutenden bürokratischen Gang. Faizul hatte mit einem der Sub-Organisatoren des Festivals gesprochen und sie hatten einen Vertrag als freies VID-Team erhalten. Eine Garantiesumme gab es nicht, aber freie Kost und Logis und die Überfahrt zur Insel.
Bevor sie an Bord gingen, setzten sie sich mit Wiesel zusammen. Jetzt, wo sie offizielle Berichterstatter waren, hatten sie auch wieder einen funktionierenden Com-Link-Zugang. Gemeinsam hackten sie sich bei sämtlichen Sendern ein – Wiesel hatte ihnen versichert, dass die Ladung nicht zu ihnen zurückverfolgt werden konnte – und schickten ihnen eine
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