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When the Music's Over

When the Music's Over

Titel: When the Music's Over Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myra Çakan
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mühsam ein Grinsen verkneifen. Doch er hockte sich hin und trank seinen Tee. Wenn es um Geld ging, um viel Geld, konnte der Kunde, wenn es ihm denn gefiel, auch Pogo mit einer Horde Neo-Punks tanzen, er, Pierce, würde mittanzen. Dann ließ sich der alte Mann für einen Moment entschuldigen. Hat wohl eine schwache Blase, dachte Pierce. Nur gut, dass er sich vor dem Treffen noch einen Schuss gesetzt hatte, dies konnte ein langer Tag werden.
    Der Bewacher-Typ suchte Blickkontakt. Pierce ignorierte ihn. Doch der gab nicht so schnell auf.
    »Du siehst ihm wirklich ähnlich.«
    »Wem?«, wollte Pierce automatisch fragen, aber er ahnte, dass er die Antwort bereits kannte.
    »Ihr seid wohl beide große Schweiger?«
    Pierce stand auf und streckte sich. Er wollte nicht zuhören, wollte nicht wissen, was dieser Idiot über seinen kleinen Bruder zu sagen hatte. Auf einmal hatte er ein ganz seltsames Gefühl, Vorahnungen der allerschlimmsten Sorte, wollte nur noch weg. Dies war ein ungesunder Ort, erkannte er selbst durch den wohltuenden Drogenfilter.
    »He, warte.« Flyp packte seinen Arm.
    Pierce schlug nur einmal kurz zu. Er wusste, wie ein Faustschlag zu sitzen hatte. Er und Blue kannten die Seitenstraßen und dunklen Gassen hinter den schäbigen Musikclubs. Und Pierce hatte nicht vergessen.
    Der Bodyguard japste wie ein Welpe und fiel gekrümmt auf die Knie. Er bewegte die Lippen, doch heraus kam nur ein schnarrender Laut. Sein Zwerchfell hatte vorübergehend den Betrieb eingestellt, doch seine Augen versprühten Hass.
    Pierce drehte sich um und ging, ohne einen weiteren Gedanken an den Mann am Boden zu verschwenden. Da hörte er es:

    »He asked her to dance,
    But she said no with a smile.
    He reached out for her
    And she remained for a while.
    Late at night she walked home alone
    Still wondering why she said no …«

    Er hatte den Song zusammen mit Blue geschrieben – sie hatten ihm nie einen Titel gegeben. Pierce hatte nächtelang vergeblich an einem Arrangement gebastelt und eines wusste er ganz genau: Sie hatten den Song nie aufgenommen. Jetzt klang er irgendwie anders, rauer. Auch Blues Stimme klang rau. Was ging hier vor? Pierce stand wie gelähmt und sang stumm die Worte mit: »… why she said no, when she thought yes.« Die letzte Zeile stammte von ihm, erinnerte er sich. Blue hielt seine Lyrics lieber indifferent.
    Wider besseres Wissen folgte er dem Klang der Stimme. Wollte sehen, was er nie mehr hatte sehen wollen. Drei Jahre reichten nicht, um zu vergessen, wie hatte er nur so naiv sein können?
    Plötzlich brach die Stimme. Rückkopplungsgeräusche, als ob jemand achtlos seine Gitarre gegen einen aufgedrehten Amp lehnte.
    »He, was soll das, Mann? Du kannst doch jetzt nicht einfach wegrennen!«
    Das war Toto. Pierce wurde ganz übel vor Schuld und Sehnsucht. Mein Gott, wie hatte er die Jungs vermisst.
    »Du siehst doch, dass ich es kann!«
    Eine Tür knallte. Die Les Paul protestierte noch eine Weile, dann war Stille. Blue war fort.
    Pierce rannte den ganzen Weg hinunter zur Mole. Auf seinem Hausboot angekommen, warf er panisch seine Sachen durcheinander. Wo hatte er nur seinen Notvorrat versteckt? Der heutige Tag war definitiv ein Zuviel an Realität gewesen.

    Kahia und Doc waren am Vormittag zu einem Streifzug über den Markt aufgebrochen. Anschließend wollten sie nach einer Unterkunft suchen. Doc hatte mit dem Gedanken gespielt, in eine der Wohnblasen zu ziehen – das musste doch wie ein überdimensionales Wasserbett sein, fand er. Pierce hatte seinen Vorschlag mit einem trockenen »Wenn man gerne schon vor dem Frühstück kotzt« kommentiert. Doc erkannte die Absurdität seiner Idee, doch gleichzeitig formierten sich in seinem Kopf einige verspielte Gedanken zu Sätzen. Sollten dies die ersten Anzeichen sein, dass sich sein writer’s block auflöste? Doc sah dieser Entwicklung mit sehr gemischten Gefühlen entgegen. Seit er auf Freezone war, fühlte er sich zum ersten Mal seit langer Zeit wieder unbeschwert, und er genoss es, einfach nur in den Tag hinein zu leben. Vielleicht lag es an Kahia oder an der Umgebung – vielleicht lag es auch einfach an der Entfernung, die er zwischen sich und seine Erinnerungen gebracht hatte.
    Pierce hatte das Powerbook am Vortag vor Doc auf den Tisch gestellt. Er hatte nichts gesagt, nur wissend gegrinst. Doc hatte allerdings so seine Zweifel, ob es in dieser verrückten Welt überhaupt noch Platz für einen SciFi-Schreiber gab. Vielleicht war dies der richtige

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