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Whiskey für alle

Whiskey für alle

Titel: Whiskey für alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John B. Keane
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stellte sich mit dem Rücken zum Feuer und konnte so die ganze Küche in Augenschein nehmen.
    »Dienstleute wissen heutzutage nicht mehr, was sich gehört.« Das sagte Neddy Leary mehr zu meiner Mutter, erhob sich und nötigte uns beide auf die Stühle am Kamin, die eben frei geworden waren. So blieb Dinny nichts übrig, als seinen Standort aufzugeben. Mit einer schweren schwarzen Kohlenzange machte sich Neddy daran, das Torffeuer wieder zu entfachen, wobei er erstaunliche Geschicklichkeit bewies. Im Nu hatte er einen Stapel glühender Brocken aufgeschichtet, der hübsch anzusehen war und willkommene Wärme ausstrahlte. Davor baute er sehr ordentlich eine Reihe von Torfsoden, die er aus einer daneben stehenden Teekiste nahm. Die Asche vor der Herdstelle zusammenzufegen war allerdings nicht seine Sache, eine so niedrige Tätigkeit auszuüben war unter seiner Würde.
    »Sobald das Wasser im Kessel kocht«, informierte er meine Mutter in aller Höflichkeit, »gibt es einen Schluck Tee, und Sie sagen, was Sie auf dem Herzen haben.«
    Kaum waren diese Worte verklungen, veränderte sich sein Gesichtsausdruck, und er donnerte los: »Kommt rein, aber sofort!« Er wandte sich wieder meiner Mutter zu und war die Freundlichkeit in Person. »Die sind gleich da und decken den Tisch«, sagte er. Inzwischen hatte sich Dinny Colman in die Nähe der Tür begeben und beäugte die schlecht zusammengezimmerte Eingangspforte. Er schien entschlossen, alles in sich aufzunehmen, was hier nicht in Ordnung war. Schon ging er in die hinterste Ecke, über der sich ein mit Maschendraht überspannter Hühnerverschlag befand. Etliche Hühnchen und Hennen der Rasse Rhode Island Red saßen da auf einer Stange und starrten selbstzufrieden ins Leere, als seien sie gedopt oder benommen. Dinny hob den Arm, steckte einen Finger durch die Maschen und klopfte einer Henne sacht auf den Schnabel. Die gab ein sanftes, volles Glucksen von sich.
    »Lass die Hühner da in Ruhe!« Der Befehl kam von Neddy Leary. Er hatte mit wachsendem Missvergnügen beobachtet, wie Dinny sich zwanglos in der Küche bewegte. Begab sich der Kerl jetzt doch zu der Wand, an der ein Bild des Heiligen Herzens in einem gesprungenen, mit Staub bedeckten Glasrahmen hing. Er holte tief Luft und blies in Richtung des Bildes. Seine Erkundungen schienen ihm großen Spaß zu bereiten.
    Dolly Leary kam als Erste aus dem Nebenzimmer. »Sie kennen doch meine Frau, nicht wahr?«, fragte Neddy.
    »O gewiss«, antwortete meine Mutter und reichte ihr die Hand. Dolly sah jetzt entschieden ordentlicher aus als vorher.
    Nach wenigen Augenblicken, die ausreichten, um sich mit Dolly bekanntzumachen, erschien Bridgeen Leary. »Und das ist meine Schwester«, stellte Neddy sie vor. Wieder gab es ein Händeschütteln.
    »Wie wäre es mit einem Ei zum Tee?«, erkundigte sich Neddy und hob mit der Kohlenzange einen rußgeschwärzten Kanister an. Der war halb voll mit trübem Wasser, auf dem Ascheflocken schwammen.
    »Nein, vielen Dank«, riefen wir drei hastig, zu hastig. Meine Mutter versuchte das abzubiegen und erklärte, wir hätten, bevor wir losfuhren, gerade Mittag gegessen. Dolly und Bridgeen räumten den Tisch ab. Dinny schaute ihnen zu und wagte sich erneut zu den Rhode Island Reds. Diesmal versuchte er, weniger auffällig mit ihnen zu kommunizieren. Den Frauen des Haushalts gelang es, im Handumdrehen alles Unansehnliche, das uns beim Hereinkommen aufgefallen war, verschwinden zu lassen. Wie von Zauberhand war ein Tischtuch aufgelegt. Es gab Tassen und Untertassen, Frühstücksteller und eine Platte, auf der ein übergroßer Eierkuchen lag und ein Viertel von einem Rosinenkuchen.
    »Verflixter Kessel, dauert das!«, schimpfte Neddy Leary, doch während er noch sprach, verwandelte sich der leicht aus der Tülle aufsteigende Dampf in einen tüchtigen Strahl. Neddy schlurfte zum Tisch und beriet sich flüsternd mit den beiden Frauen. Es ging darum, welche der drei Teekannen zu dem besonderen Anlass benutzt werden sollte. Ein Wort gab das andere, und wir befürchteten bereits, die Unterredung würde in einen größeren Streit ausarten. Doch plötzlich schwieg man, eine Übereinkunft war erzielt worden. Dolly Leary eilte in den Nebenraum, aus dem sie eben gekommen war, und erschien gleich darauf mit einer braunen Keramik-Teekanne. Offensichtlich wurde die nun eingeweiht. Rasch wurde sie mit sprudelnd heißem Wasser aus dem kochenden Kessel ausgespült. Neddy schob, eine Handbreit vom Kaminfeuer entfernt,

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