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Whiskey für alle

Whiskey für alle

Titel: Whiskey für alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John B. Keane
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ereignete sich am fünfzehnten Tag des Augusts im Jahre des Herrn, wie man in der Gegend hier sagt, 1934. Es war ein Jahr mit blühenden Wiesen, mit günstigem Wetter fürs Heumachen, mit beklagenswerten Todesfällen.
    »Der Fünfzehnte«, wie man den Tag einfach nennt, ist der alljährlich begangene Patronats-Tag, der Tag des Schutzheiligen des hübschen Seebads Ballybunion. Aus allen Ecken von Kerry, Cork und Limerick strömen Tausende auf allen nur denkbaren Transportmitteln herbei, mit dem Fahrrad oder Omnibus, auf Schusters Rappen oder Ponykarren. Das ist auch heute noch so, aber nicht zu vergleichen mit den Massen früherer Jahre.
    Jener besondere Fünfzehnte war, wie ich mich erinnere, ein strahlend heller Tag. Der Himmel war blau, und die Luft, durch eine sanfte Brise aus West mit dem Salz von der See gewürzt, war frisch und wohltuend. Allenthalben, in den Milchläden und Gemischtwarenhandlungen schauten Mann, Frau und Kind glücklich drein.
    »Herrliches Wetter«, sagten sie zueinander, »und wie geschaffen für einen Tag wie diesen«; und zustimmend kam die Antwort: »Einfach wunderbar, könnte gar nicht schöner sein.« Um dreiviertel elf ging mein Großonkel Morrisheen Digley zur Koppel und fing das Pony ein, und zur Mittagsstunde machte er sich in seinem frisch gestrichenen Kutschwagen auf den Weg nach Ballybunion. Es war eine Lust zu sehen, wie munter das Pony dahintrabte, wie seine Beine tanzten, wie die Hufeisen auf dem Straßenschotter Funken schlugen. Mich hat er damals nicht mitgenommen, ich wäre noch zu jung, hieß es. Stattdessen holte er seinen Kumpel Thady Dowd aus Lacca ab. Keiner von beiden war unter siebzig, und nicht einmal Jüngere hätten so erpicht drauf aus sein können, sich einen guten Tag in Ballybunion zu machen wie die beiden.
    In Mikey Joes Irish-American Bar angelangt, spannten sie das Pony auf dem Hinterhof aus und feierten ihre Ankunft zum Patronatsfest mit zwei Gläsern hauseigenem Whiskey. Darauf folgten ein paar Pints, Pints von dem cremigen schwarzen Porter. Ohne die ging es nicht, denn die Reste des Whiskey wollten bis zum letzten Tropfen gründlich aus der Kehle gespült sein. Das gilt übrigens als höchst ratsame Praxis, will man denjenigen glauben, die es für unerlässlich halten, die geschilderte Reihenfolge beim Trinken einzuhalten.
    Gegen Abend gingen sie hinunter zum Strand, um sich die salzige Seeluft um die Nase wehen zu lassen und sich ein bisschen mit Wassertreten zu vergnügen. Leute der älteren Generation schworen darauf, es gäbe nichts Besseres, als mit den Füßen im Salzwasser zu planschen, es wäre die wirksamste Kur für jede nur denkbare Krankheit. Auch unsere beiden empfanden es als sehr angenehm. Die frische Brise vom Atlantik war kräftig und durchlüftete einen so richtig, war aber noch nicht so scharf wie später im Herbst. Gleich hundert anderen waren es die beiden Männer zufrieden, knöcheltief im Wasser hin und her zu wandern, bis sie wieder den großen Durst verspürten.
    Im Ort trafen sie dann Nachbarn aus der Umgebung von Lacca, zogen mit ihnen in einen Pub und machten fröhlich beim Rundgesang mit. Als es dunkel wurde, packte sie ein mächtiger Hunger nach was Handfestem. Sie verfügten sich in eine Gastwirtschaft, wo man ihnen saftige Steaks mit Bratkartoffeln vorsetzte. Danach gönnten sie sich eine doppelte Portion leckerer Nachspeise und mehrere Tassen starken, gut gesüßten Tee.
    »So, damit hätten wir erst mal ’ne Grundlage für den nächsten Drink«, machte mein Großonkel seinem Zechkumpan Thady Dowd klar. Der war begeistert und nickte zustimmend. Bislang hatten sich die beiden durchaus vergnügt, doch die Nacht war noch jung. Es konnte nur immer besser werden. Also machten sie sich nach ihrer Mahlzeit auf zur großen Tour durch alle Kneipen des Städtchens und genehmigten sich in jeder einen Drink oder auch zwei.
    Ist der Leser bis hier gelangt, wird er eine Augenbraue hochziehen, vielleicht auch beide, und fragen, was soll eigentlich die Schilderung einer derart landläufigen Geschichte? So eine Fahrt zum Patronatsfest ist doch Jahr für Jahr das Gleiche, nichts anderes als eine der üblichen Sauftouren, der auch Tausende andere frönen und deren Ende sich Vorhersagen lässt.
    Doch gemach, lieber Leser, hab noch ein Weilchen Geduld. Die Polizeistunde kam heran, und drei Doppelposten strammer Wachtmeister machten ihre Runden. Schon ihre bloße Gegenwart sorgte dafür, dass jede Gastwirtschaft schloss. Die Wirte waren sogar

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