Whisky: Mord im schottischen Schloss (German Edition)
Computermann musterte sie neugierig. „Es gibt Leute, die finden morgens nicht aus den Federn“, stellte er fest. Brummelnd nickte Camilla.
Endlich ging die Tür auf und – tatsächlich! – erschienen McLeish und Gianna Reiche.
„Wie schön, dass Sie auch schon zu uns stoßen. Bedauerlicherweise müssen Sie auf Ihr Frühstück verzichten, denn wir liegen schon fast eine Stunde hinter dem Zeitplan.“
„Nun, nun“, murmelte McLeish, griff nach dem Brot und schickte sich an, in aller Ruhe ein ausgedehntes Frühstück einzunehmen.
„Und Sie“, richtete sich Camilla an McLeish, „sehen bitte zu, dass Sie bis zu den Bewerbungsgesprächen fertig sind. Ich kann nicht alles gleichzeitig machen.“
Damit nickte sie dem Computermann aufmunternd zu, der stand auf und dann verließ Camilla, ohne sich zu vergewissern, ob „die Gnädigste“ ihr auch folgte, das Zimmer.
Alles ging dann Schlag auf Schlag. Camilla sog die Informationen vom Computerfachmann wie ein trockener Schwamm auf; soweit sie es beurteilen konnte, war das Programm perfekt: Erweiterbar, leicht zu erlernen, und alle Fragen, die sie sich im Voraus gestellt hatte, waren bereits beantwortet. Es gab jede Menge Lektüre, Übungsprogramme und eine Hot-line. Als die Einweisung fast fertig war, meldete Eilidh Isabelle, das Pferdemädchen, an. „Machen Sie hier weiter, ich kümmere mich schon darum“, rief sie Gianna über die Schulter zu.
Draußen fuhr ein Pferdetransporter von ziemlicher Größe vor; Camilla vermutete, dass tatsächlich alle fünf Pferde auf einen Schlag ankamen. Aus der Beifahrertür sprang ein junges Mädchen – sehr hübsch mit Pfirsichteint, zart geröteten Wangen, die an eine gewisse Sorte altenglischer Rosen erinnerte, roten Lippen, hellblauen Augen, dunklen, schön geschwungenen Wimpern – und ging zielstrebig auf Camilla zu.
„Guten Tag, ich bin Isabelle Waters. Ich soll…“
„Sie sind das Stallmädchen, wir wissen. Nun, dann gehen Sie Ihrer Aufgabe nach und versorgen Sie Ihre Schützlinge.“
Camilla wollte ihren Ohren kaum trauen, als sie die harte, selbstbewusste Stimme Giannas hinter sich vernahm. Auch dem „Stallmädchen“ klappte buchstäblich der Unterkiefer herunter.
„So, nun sperren Sie mal Ihre Ohren auf“, presste Camilla zwischen den Zähnen hervor, packte Gianna unsanft am Oberarm und zerrte sie weg.
Als sie sich ein paar Meter entfernt hatten, zischte Camilla ihr ins Gesicht: „Das ist nebenbei das letzte Mal, dass ich Sie
nicht
in Hörweite anderer zusammenstauche. Noch eine solche Äußerung und Sie kriegen Ihr Fett an Ort und Stelle ab, vor dem Personal oder Gästen. Haben Sie mich verstanden?“
„Würden Sie bitte meinen Oberarm loslassen? Sie tun mir weh.“
Camilla machte es Spaß, für eine Sekunde noch fester zuzupacken.
„Wenn Sie hier arbeiten wollen, passen Sie gefälligst Ihren Ton an. Ich weiß nicht, wo Sie herkommen, aber
dort
sind Sie jetzt nicht mehr. Dies ist Schottland, dies ist ein Hotel. Hier geht es distinguiert und höflich zu. Man respektiert seine Mitmenschen. Meinen Sie, dass Sie das hinkriegen, oder soll ich Ihnen ein Platz nach London buchen?’“
„Das liegt kaum in Ihrer Kompetenz“, erwiderte Gianna, sich den Arm reibend.
„Ach, nein?“ höhnte Camilla.
„Ach nein“, äffte Gianna sie nach. „Fragen Sie doch McLeish.“
„Ich brauche bei McLeish keine Kompetenzen zu verifizieren. Im Übrigen für Sie Mr. McLeish“, klopfte Camilla auf den Busch.
„Nein, meine Liebe, für
mich
Abbot.“
Gianna spuckte diese Worte förmlich aus. Nun konnte Camilla nicht mehr an sich halten. Sie lachte lauthals los.
„Na, dann wollen wir mal hoffen, dass Sie mit Ihrer
geistigen
Empfangsbereitschaft genauso schnell sind. Wir gehen jetzt in die Destille und ich erkläre Ihnen, wie Whisky hergestellt wird. Heute Abend bringe ich Ihnen noch ein paar Bücher über dieses Thema in Ihr Zimmer.“
„Wozu soll das gut sein?“
„Na, hören Sie mal! Die Gäste, die sich entschließen, hier ihren Urlaub zu verbringen, sind Schottland-Fans. Sonst könnten sie ja auch nach Florida oder Ischia oder sonst wohin fahren. Und ein Schottland-Fan interessiert sich für Whisky, unheimliche Schlösser und Dudelsäcke. So einfach ist das. Nein, nein, Dudelsack müssen Sie nicht lernen“, lachte Camilla, als sie das entsetzte Gesicht ihrer neuen Lieblingsfeindin sah.
„Was ist mit dem Personal? Es sind schon ein paar Leute gekommen“, fragte Gianna.
„Um die kümmert sich
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