Whisky: Mord im schottischen Schloss (German Edition)
sich durch die Menschenmassen hindurch zum Parkplatz. McLeish hielt ihr die hintere Tür auf, ging um das Auto herum und nahm tatsächlich auch auf der Rückbank Platz. Damit war Camilla zum Chauffeur degradiert. Schulterzuckend setzte sie sich hinter das Steuer und dirigierte den Bentley auf die Straße, die über Nairn, Elgin, Buckie und Banff nach Fraserburgh führte.
McLeish horchte Gianna Reiche systematisch aus; wie und wo sie in London gelebt, wo sie bisher gearbeitet hatte („Verschiedene Jobs in Hotels und Sport-Zentren“), wie alt – nein, Verzeihung, wie jung „fünfunddreißig“), was ein befriedigtes Nicken nach sich zog, verheiratet („nein“), jetzt leckte er sich sogar die Lippen, wie Camilla im Rückspiegel beobachten konnte. Mein Gott, sie hatte ihn immer für einen vollendeten Gentleman gehalten. Aber nun befand er sich wahrscheinlich auf Freiersfüßen. Der Ruf der Natur…
„Gibt es in Banff nicht auch eine Whisky-Destille?“ fragte Gianna.
Hocherfreut ging McLeish auf diese Frage ein und erzählte ihr lang und breit, was es mit dieser auf sich hatte. Überhaupt machte er sie mit allem, was es überhaupt nur an Interessantem zu sehen gab, bekannt; benahm sich wie ein Fremdenführer. Camilla – und sicherlich auch Gianna – war klar, dass sie den Job bekommen würde. Wenn Männer doch nur endlich lernen würden, anders als mit ihrem Geschlechtsorgan zu denken, dachte Camilla bissig. Sie wollte es nicht wahrhaben, aber eine gewisse Eifersucht hatte sich schon in ihr breit gemacht.
Im Hotel angekommen, zeigte McLeish Gianna ihr Zimmer und lud sie ein, sie, nachdem sie sich erfrischt hatte, herumzuführen und ihr alles zu erklären. „Das Organisatorische können Sie von Frau von Trisenne erfahren.“
Ohne Camilla auch nur noch eines Blickes zu würdigen, hakte er Gianna unter und stieg mit ihr die Treppe zum gerade fertig gestellten Gästezimmer hinauf. Camilla hörte noch so etwas wie: „…schönste Gästezimmer ist noch besetzt… steht Ihnen später zur Verfügung…“
Sie war entsetzt. Was fiel McLeish ein? Gut, wenn er sich Hals über Kopf verschossen hatte, war das seine Sache. Außerdem hatte sie zum Eifersüchtigsein überhaupt keinen Grund, aber ein Mindestmaß an Höflichkeit ihr gegenüber war nicht zuviel verlangt.
Wütend ging sie in ihr Zimmer und knallte die Tür zu. Ihr erster Impuls war, Axel anzurufen. Dann legte sie den Hörer wieder auf. Er würde sofort wittern, dass Camilla eifersüchtig war, und die nächste Frage, die er sich stellen würde, war
warum
?
Okay, dachte Camilla, bring’ den Job zum Abschluss und hau ab. Keine Gefühlsduseleien mehr.
Als sie sich etwas gefasst hatte, rief sie Axel an. Keiner zu Hause. Aber abreagieren musste sie sich.
Sie nahm ihre Zigaretten und ging in die Bibliothek. Dort setzte sie sich, ein gehöriges Glas Whisky vor sich, an McLeishs Schreibtisch, trank einen Schluck und berichtete dann in ironischer Schreibweise vom Pferdekauf und der Ankunft ihrer wahrscheinlichen Nachfolgerin.
„Sie sieht sehr gut aus – ein rassiger Typ. Dunkle Haare, braune Augen, volle, gut geschnittene Haare und eine Dauerwelle, die teuer und wie Naturlocken aussieht. Viel, aber gut gemachtes Make-up, Super-Figur, schicke Kleidung (was ich bisher gesehen habe), also eine Frau von Format. Und da McLeish, wie ich jetzt feststellen musste, sich mit dem Thema Familiengründung befasst, habe ich ihm (seinem satyrhaften Gesicht nach zu urteilen) die passende Frau an seiner Seite und eine gesunde Vervielfältigungsmaschine verschafft. Nun, ich werde sie so schnell wie möglich einarbeiten und dann hier abhauen, bevor der Vervielfältigungsprozess anfängt und ich womöglich noch länger hier bleiben muss. Proficiat!“
Sie nahm ihre Sachen, brachte das Glas in die Küche, zog sich eine Jacke über und begab sich ins Dorf, um dem Pub einen Besuch abzustatten.
„Hallo“ begrüßte sie der Wirt erfreut. Alle nannten ihn John, ob das ein richtiger Name war, war dahingestellt.
„Hallo, John.“
Er sah Camilla forschend an. „Heute etwas Kräftigeres? Stout?“
„Ja, und einen doppelten Whisky dazu. Aber einen Glenmorangie.“
Er sah sie aus seinen hellen, fast wässrigen Augen und mit schief lächelndem Mund an. „Ärger gehabt?“
„Hm.“
Die Theke war L-förmig, auf der anderen Seite saß ein gutaussehender, junger Mann, den sie noch nie hier oder im Dorf gesehen hatte. Als Camilla die Drinks vor sich stehen hatte, sah er sie an, hob
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