Whisky: Mord im schottischen Schloss (German Edition)
anpacken. Die einzige Chance, etwas in Erfahrung zu bringen, lag darin, dass sie sich entspannte und anfing, ihm zu vertrauen.
Russell beschloss, aufs Ganze zu gehen. Er stand auf, setzte sich zu ihr auf das Sofa, nahm ihre Hand und umschloss sie.
„Warum sehen Sie so traurig aus?“
Erstaunt wandte sie sich ihm zu. Der ironische Gesichtsausdruck war verschwunden, er sah jetzt nur noch freundlich und besorgt aus.
„Ich sehe traurig aus?“ fragte sie erstaunt. Axel, verdammt, dachte sie. „Traurig bin ich aber nicht.“
„Was denn?“
„Unbehaglich, aufgewühlt, besorgt.“
„Was haben Sie am Abend vor drei Tagen gemacht?“ Er hielt ihre Hand noch fester, als er spürte, dass sie sich ihm entziehen wollte.
„Vor drei Tagen? Sie meinen den Abend, bevor ich die Leiche entdeckt habe?“
„Richtig.“
Camilla spürte, wie ihr der Schweiß ausbrach. Wenn er doch nur ihre Hand loslassen würde! Verdammt, was sollte sie jetzt bloß sagen?
Hatte sie Connaugh besucht oder nicht? Diesen Punkt hatte sie noch nicht gründlich genug durchdacht. Er hatte so viele Haken. Wie lange soll sie dort geblieben sein? Zu Fuß oder mit dem Auto? Warum überhaupt, eine einfache Unterhaltung wäre auch hier in der Bar möglich gewesen, dann hätten sie nicht in sein Haus gemusst. Am meisten störte sie jedoch, dass sofort der Makel einer Fremdgeherin an ihr hängen würde. Instinktiv beschloss sie, doch den Rat Roberts anzunehmen, nämlich die Wahrheit zu sagen.
„Es war ein langweiliger Abend. Ich war noch kurz im Pub, bin dann in meine Zimmer gegangen, habe gelesen und geschlafen. Oh, ich war noch kurz im Stall und habe ein paar Worte mit Ms. Waters gewechselt. Wir sind zusammen vom Stall ins Haus gegangen.“
„Ist Ms. Waters die Treppe hinaufgegangen, als Sie das Haus betraten?“
„Nein, sie wollte zu McLeish. Wir haben uns an meiner Tür getrennt.“
„Was wollte sie von ihm?“
„Ihn über ein Pferd informieren, schätze ich. Eines der Pferde wurde krank und es sollte am nächsten Tag zum Tierarzt. Ich habe sie allerdings nicht gefragt.“
„Es war also nicht ungewöhnlich, dass Ms. Waters – oder Sie – McLeish noch spät aufsuchten?“
„Ach, es war gar nicht so spät, halb zehn, zehn höchstens.“
„Aha. Und Sie sind dann am nächsten Morgen von einem Motor geweckt worden.“
„Genau.“
„Wie war Ihr Verhältnis zu Mrs. Reinicke?“
Camilla tat so, als überlege sie. „Wir waren ziemlich unterschiedlich, aber haben uns ganz gut verstanden. Meine Busenfreundin wäre sie allerdings nie geworden.“
„War sie denn eifersüchtig auf Sie? So als Nachfolgerin Ihres Mannes?“
„Ach, nein, dazu waren die beiden wohl schon zu lange geschieden. Sie ist einfach ein ganz anderer Typ als ich; damenhaft, gepflegt, eitel. Manchmal hatte ich den Eindruck, als hätte sie nichts als Klamotten, Make-up und Schlankheitskuren im Kopf. Mit solchen Frauen kann ich nichts anfangen.“
„Und dann hat sie gemerkt, dass sie die Arbeit nicht packt, wie Sie sagten. Oder haben Sie es gemerkt?“
Camilla zögerte. Bleib’ so gut es geht bei der Wahrheit, dachte sie. „Ich fürchte, ich habe es gemerkt.“
„Und was passierte dann? Haben Sie sich gestritten?“
„Nein, gestritten eigentlich nicht. Es war ja auch nichts Schlimmes passiert, nur dass sie eben ziemlich vergesslich war und ich sie immer daran erinnern musste, was als nächstes getan werden sollte. Das hat mich natürlich gestresst, und zuerst habe ich mich an McLeish gewandt. Ich hatte immer gehofft, dass sie sich fangen würde. Aber ihr fehlte einfach der Blick für das Wesentliche und die Fähigkeit, selbständig zu arbeiten. Vielleicht bin ich dann etwas ungehalten geworden und sie hat verschnupft reagiert, jedenfalls hatte McLeish ein Gespräch mit ihr. Sie war danach noch ein paar Tage hier, und als feststand, dass Ms. Waters den Job annehmen würde, hat sie beschlossen, abzufahren.“
„Also ging alles zivilisiert zu.“
„Ja, kann man sagen. Zumindest aus meiner Sicht.“
„Wie haben sich Mrs. Reinicke und Ms. Waters verstanden?“
„Ihre Wege haben sich nie gekreuzt.“
„Wie sind Sie darauf gekommen, Ms. Waters für den Job vorzuschlagen? Der Vorschlag kam doch von Ihnen, habe ich das richtig verstanden?“
„Ja, das stimmt. Nun, McLeish hat sie von seinem Freund vorübergehend als Pferdepflegerin ausgeliehen. Aber ich merkte von Anfang an, dass sie ein sehr aufgeschlossenes, freundliches Mädchen ist. Sie interessierte
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