Whisky: Mord im schottischen Schloss (German Edition)
schon überlegt. Andererseits…“
„Wer wir?“
„Herr Franke, Ms. Waters, Mr. McLeish und ich.”
„Ach, Sie haben ein wenig Detektiv gespielt?“
„Ja, natürlich! Würden Sie nicht ständig darüber nachdenken, wenn so eine Geschichte in Ihrer unmittelbaren Umgebung passiert?“
„Ich spiele nicht in der Mannschaft, in der die Geschichten passieren.“
„Stimmt“, lachte Camilla.
„Und was ist andererseits?“
„Ach so, ja. Nun, Frau Reinicke wollte ganz früh losfahren und das hat sie wohl auch getan, jedenfalls hörten Ms. Waters und ich einen Wagen vom Parkplatz fahren und…“
„Wieso nur Sie beide?“
„Weil wir die Eckzimmer haben, ich im Parterre und sie eine Etage höher. Diese Zimmer liegen recht nahe am Parkplatz.“
„Aha. Und weiter?“
„Die Putzfrauen haben den Auftrag bekommen, das ehemalige Zimmer von Nanna für Gäste herzurichten. Offensichtlich war alles leergeräumt, sonst wären die Sachen bei mir abgeliefert worden. Ist diese Frau denn vergewaltigt worden?“
„Mir liegt noch kein gerichtsmedizinischer Befund vor.“
„Nein?“
„So schnell geht das nicht. Schon gar nicht in dieser Gegend, wie es scheint. Um noch einmal auf Frau Reinicke zurückzukommen: hat sie sich noch einmal gemeldet? Ich meine, es ist doch normal, dass man zumindest noch einmal anruft, um zu sagen, dass man gut angekommen ist. Denn Sie kannten sich doch privat?“
„Na ja, kennen ist zuviel gesagt. Bevor sie hierher kam, hatte ich sie noch nie gesehen.“ Camilla machte eine kleine Pause. Wie ein Kaleidoskop trudelten ihre Gedanken durcheinander. Jetzt war die Stunde der Wahrheit, oder besser gesagt, der Lüge, gekommen. Irgendwie hatte sie nicht damit gerechnet, dass sie tatsächlich die zurechtgezimmerte Geschichte zum Besten würde geben müssen.
“Als ich schon hier arbeitete, machte Nanna eine Stippvisite bei meinem Mann. Der hat ihr von mir und meinem Job hier erzählt, und da ist ihr wohl der Gedanke gekommen, dass sie herkommen und Geschäftsführerin werden könne.“
„Wann hat Ihr Mann Sie über dieses Gespräch informiert?“
„Das Datum? Tut mir leid, aber…“
„Nein, ich meine, hat er Sie noch an demselben Abend angerufen? Oder haben Sie erst von Frau Reinicke selbst von Ihrem Glück erfahren?“
„Von meinem Glück ist gut“, Camilla musste grinsen. „Nein, er hat mich noch am selben Abend angerufen.“
„Waren Sie nicht eifersüchtig?“
Erstaunt sah ihn Camilla an. „Warum? Weil sie ihn besucht hat?“
„Zum Beispiel.“
„Er ist von ihr geschieden. Und mit mir verheiratet. Nein, eifersüchtig war und bin ich auf Nanna überhaupt nicht. Ich weiß aus Erfahrung, dass aufgewärmte Brötchen nicht so gut schmecken wie frische.“
Russell stutzte verblüfft, legte dann den Kopf in den Nacken und lachte lauthals.
„Waren Sie schon mal verheiratet?“ fragte er.
„Nein, das nicht, aber ich hatte einen langjährigen Freund, der sich nach zwei Jahren wieder meldete. Wir haben uns dann auch getroffen. Ich habe mich an jenem Abend gefragt, was ich jemals an ihm liebenswert fand. Und Sie?“
„Was? Ob ich verheiratet war? Oder bin?“ Mit Röntgenaugen sah er sie an. Camilla merkte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss.
„Ich meine, ob Sie auch schon solche Erfahrungen gemacht haben.“
„Nein, ich bin zwar geschieden, habe meine Frau aber seither nicht wieder gesehen.“
„Und wenn Sie sie sehen würden?“
„Weiß nicht.“ Sein Gesicht verschloss sich. Camilla überlegte, dass seine Scheidung weder lange her noch glatt an ihm vorübergegangen war.
„Denken Sie, ich war so eifersüchtig, dass ich Frau Reinicke umgelegt habe?“
„Noch denke ich überhaupt nichts.“
Er beugte sich nach vorn und legte die Unterarme auf die Knie. Jetzt sah er Camilla noch eindringlicher an. Sofort verschloss sich ihr Gesicht und ihre Augen bekamen wieder diesen gespannten, wachsamen, traurigen Ausdruck. Das war es, überlegte er. Ein bisschen ängstlich ist sie vielleicht, aber das ist vollkommen normal. Sie beobachtet mich, studiert meine Körpersprache und passt sich ihr an. Sie verbirgt etwas, resümierte er. Sie hatte den Mord nicht begangen, wer auch immer das war, und warum auch immer. Ein bisschen vertraute er schon seinen Erfahrungen mit Verbrechern. Aber sie wusste etwas, kannte womöglich den Mörder, wer die Ermordete war oder warum sie hatte sterben müssen. Warum sah sie so traurig aus?
Er musste sich zurückhalten, durfte sie nicht hart
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