Whisper Island (01) - Sturmwarnung
sehen.
»Was?«
»Seth. Ich bin nicht mit ihm zusammen. Er ist nur … ich hab ihn gleich am Anfang kennengelernt, als ich auf die Insel gekommen bin. Ihn und Diana Kinsale. Na ja, eigentlich habe ich Diana Kinsale zuerst getroffen, weil ich mit meinem Fahrrad – meinem anderen Fahrrad – auf der Bob Galbreath Road unterwegs war und keine Ahnung hatte, wie schlimm die Strecke ist. Ich konnte nicht mehr weiter und sie hat mich mitgenommen. Seth hab ich am nächsten Tag im Star Store kennengelernt.«
Wie merkwürdig, dachte Hayley. Irgendetwas stimmte hier nicht. Sie konnte es spüren. Seth, Becca, Diana Kinsale, der Star Store , Debbie Grieder, das Cliff Motel sowie die Tatsache, dass Becca das Motel verlassen hatte, aber Debbie Grieder nichts davon wusste und Becca jetzt ohne ersichtlichen Grund darüber redete. Es kam ihr fast so vor, als …
»Es hat mit Drogen zu tun, verstehst du?«, sagte Becca schnell. Sie hatten das Ende der Maxwelton Road erreicht, standen an der Ampel und warteten darauf, auf die Bundesstraße zu fahren. »Debbie glaubt, dass Seth was mit Drogen zu tun hat.«
»Seth nimmt keine Drogen.«
»Debbie glaubt das aber.«
»Mann. Das ist so unfair.«
»Das hab ich auch gedacht. Deshalb …« Becca zuckte mit den Schultern.
Sie lässt es so klingen, als hätte sie Debbie aus Loyalität zu Seth den Rücken gekehrt, dachte Hayley. Das war zwar nett, kam ihr aber eher unwahrscheinlich vor. Denn wie lange kannte sie Seth überhaupt? Nein. Da steckte mehr dahinter. Sie wollte Becca gerade fragen, was wirklich los war, als Becca ihr zuvorkam.
»Wie geht’s Derric?«, fragte sie. »Ich habe ihn nicht mehr im Krankenhaus besuchen können.«
»Unverändert«, erwiderte Hayley. Die Ampel schaltete um und sie fuhren auf die Bundesstraße in südliche Richtung. »Ich habe die Nachricht gesehen, die du ihm in die Hand gelegt hast. Du scheinst dir sicher zu sein, dass er gesund wird. Das ist schön.«
Da sah Becca sie endlich an. Sie runzelte die Stirn und sagte: »Ich wollte nur … Es war dumm, aber ich wollte ihm gern etwas geben. Ich hatte sonst nichts dabei und ich hab die ganzen Ballons und Blumen und anderen Sachen gesehen. Ich hatte das Gefühl, es wäre etwas … Es hat nichts zu bedeuten. Ich erwarte nicht, dass er … Ich bin nicht hinter ihm her oder so.«
»Was wäre dabei? Er ist ein toller Typ.«
»Mein Gott«, hauchte Becca. »Das ist komisch.«
»Was?«
»Seid ihr zwei nicht … Du und Derric …? Du weißt schon.«
»Das hat dir Seth erzählt, oder?« Typisch, dachte Hayley. »Er hat keine Ahnung.«
»Oh.«
» Wirklich nicht. Außerdem schaltet er immer erst sein Hirn ein, nachdem er gehandelt hat. Wenn du viel Zeit mit ihm verbringst, wirst du bald mitbekommen, wie er drauf ist. Du tust irgendwas und er gibt dir keine Chance, es ihm zu erklären, und dann wird er wütend und …« Hayley unterbrach sich. Sie hörte sich selbst reden. Handeln ohne nachzudenken, und Derric lag im Koma und konnte mit dem Finger auf denjenigen zeigen, der ihn vom Steilhang gestoßen hatte. Wenn man ihn gestoßen hatte, sagte sich Hayley.
Becca schwieg zu allem, was Hayley gesagt hatte. Und Hayley ließ es dabei bewenden. Aber die Stille zwischen den beiden Mädchen war in diesem Augenblick alles andere als freundlich. Finstere Gedanken und Verdächtigungen hingen in der Luft.
So viel zum Grund für ihre Zuversicht, dachte Hayley. So viel zu ihrer Vermutung, Becca wäre zuversichtlich, dass Derric wieder gesund würde. Denn wenn sie jetzt so eng mit Seth Darrow befreundet war, wusste sie wahrscheinlich mehr über das Ganze, als sie sagte. Vielleicht war sie mit Seth gar nicht ins Krankenhaus gekommen, um Derric einen Freundschaftsdienst zu erweisen, sondern vielmehr, um ihm zu drohen.
Gib ihn mir zurück, wenn du wieder wach bist bekam damit eine völlig andere Bedeutung, nämlich: »Ruf mich an, wenn du wieder bei Bewusstsein bist, weil du und ich ein paar Dinge zu besprechen haben.«
Der Gedanke, wohin das alles führen konnte, war zu schrecklich. Hayley wollte Becca nicht mehr in ihrem Pick-up haben. Zum Glück kam der Reifenladen in Sicht. Hayley trat aufs Gas. Dort angekommen, bremste sie scharf. Sie wartete darauf, dass Becca ausstieg, ihr Fahrrad nahm und sich aus dem Staub machte. Aber stattdessen sagte Becca etwas völlig Merkwürdiges: »Seths Sandalen. Du weißt, welche ich meine?«
»Was? Was ist mit ihnen?« Hayley hätte sie am liebsten aus dem Pick-up geworfen, aber Becca
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