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White Horse

White Horse

Titel: White Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Adams
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Uns allen.«
    Â»Du weißt überhaupt nichts, Amerika. Du bist eine ungebildete
Putzfrau, die Böden gewischt und die Mäusescheiße aus den Käfigen geräumt hat.
Ich habe studiert. Ich habe einen Doktorgrad. Ich will ein Kind. Ich, die ich
nie ein eigenes Kind haben werde. Ich, die ihre Identität der Seuche geopfert
hat. Ich wurde gegen meinen Willen zu dem, was ich
bin. George hat mir alles genommen. Meine Arbeit. Meine Chance, Kinder zu
bekommen. Er schuldet mir das.«
    Wie eine Explosion entladen sich Feuer und Eis in einem Atemzug.
Schmerz durchzuckt mich, doch ich achte nicht darauf. Der Schurke war
verkleidet. Die Blaue Fee hat uns alle hereingelegt.
    Â»Du bist …«
    Â»Sag es nicht.«
    Â»â€¦Â die Frau. Die Frau … auf den Fotos?«
    Jetzt leuchtet mir so vieles ein. Lisas Behauptung, er sei nicht wie
andere Männer. Sein Frauenhass. Seine übertrieben maskulinen Bewegungen, die
wie vor einem Spiegel einstudiert wirkten. Irgendwie hatte sich die genetische
Lostrommel gedreht, bis ein X-Chromosom mit einem abgebrochenen Bein herauskam.
    Â»Ich war diese Frau, bevor ich krank wurde. Die Frau an der Seite
von George Preston Pope – fünfzehn Jahre lang! Er war ein kalter, grausamer
Mann, aber das verstand ich erst so richtig, als er mich gegen meinen Willen
infizierte. Wir mussten Tests an Menschen durchführen – und er spritzte mir die
Seuchenlösung. Nicht sich selbst. Mir. Da wusste ich, dass ich ihm nichts
bedeutete. Dass es ihm immer nur um das Geschäft, um Geld, um seinen Ruhm ging.
Er schuldet mir ein Kind.«
    Ich lache bitter und zugleich gelöst auf, als sei das der beste
Witz, den ich je gehört habe. Sämtliche Komiker hätten sich um diese Art von
schwarzem Humor gerissen. Ich werfe ihm Nicks Brief ins Gesicht wie einen
Ziegelstein. »Lies das!«
    Â»Du sollst mich nicht auslachen. Gib mir endlich mein Baby!«
    Â»Lies das!«, schreie ich so laut, dass meine Lungen schmerzen. »Lies
diesen Brief!«
    Er überfliegt die Seite. Eine Wandlung geht in ihm vor. Harter Fels
wird zu schlaffem Fleisch, niedergedrückt von Hoffnungslosigkeit. Er kauert
zwischen den Trümmern seiner Vergangenheit und seiner Zukunft.
    Â»Ich verstehe das nicht.«
    Wer ist jetzt die dumme Schlampe?, möchte
ich fragen, aber das bringe ich nicht über mich. Ich bin immer noch ein Mensch.
Ich empfinde immer noch Mitleid, selbst wenn es an die Falschen verschwendet
erscheint. Was auch geschieht, ich muss mir mein Menschsein bewahren.
    Â»Nick ist gestorben. Er hat sich mit White Horse angesteckt und ist
gestorben. Verstehst du jetzt? Sie könnte immer noch an eurer Seuche erkranken,
sterben oder sich in etwas Schreckliches verwandeln. In ein Monster, wie du
immer sagst.«
    Â»Nein.« Ungläubig.
    Â»Nimm es hin, wie es ist.«
    Â»Nein. Das kann nicht sein.«
    Â»Es ist so.«
    Keine Antwort.
    Â»Und nun müssen wir beide damit klarkommen. Ihr habt dieses Bett
bereitet, du und dein Mann. Jetzt müssen wir alle darin schlafen. Auch du.«
    Â»Still«, sagt er. »Hörst du das?«
    Ich habe es bereits gehört. Etwas nähert sich dem Boot. Während
unseres Wortgefechts ist die Nacht hereingebrochen, und die lichtscheuen
Bewohner der Stadt wagen sich aus ihren Verstecken.

VIERUNDZWANZIG
    Nicht das Geschrei. Nein. Die lautstarken Stimmen
streitender Menschen verscheuchen alles, was schwächer ist. Ein Geschöpf, das
sich für schwach hält – sei es wegen seiner Größe, Verfassung oder aufgrund
irgendeiner Hackordnung –, wird bei diesem Lärm die Flucht ergreifen, um den
Zorn nicht auf sich zu ziehen. Selbst im Betondschungel der Städte gelten diese
Naturgesetze. Deshalb sind sie nicht früher gekommen. Sie haben sich hinter
Eingänge und Müllcontainer geduckt, um unsere Schwächen abzuschätzen und
herauszufinden, auf welcher Stufe der Evolutionsleiter wir stehen.
    Diese Dynamik ändert sich nur mit den Variablen: wenn die Gegner in
der Überzahl sind; wenn sie glauben, dass wir verwundet oder geschwächt sind;
wenn wir etwas besitzen, das ihr Überleben sichert.
    Nein, zwei Erwachsene, die sich anschreien, haben die Schattendinge
nicht aus ihren Winkeln geholt und hierhergelockt. Was sie anzieht, ist das
Wimmern meines Neugeborenen.
    Â»Sorg dafür, dass die Kleine still ist!« Er versperrt die Kabinentür.
Späht in die Dunkelheit.

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