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White Horse

White Horse

Titel: White Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Adams
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Voller Angst. Jetzt erst erkenne ich, was mein
Verstand zuvor beschönigt hatte. All die Wochen hindurch war ich blind für das
Augenscheinliche. Er war nie das, für das er sich ausgab.
    Ich drücke mein Mädchen fest an mich, versuche es durch sanftes
Schaukeln zu beruhigen, aber nicht einmal meine Brust vermag es davon
abzulenken, dass jetzt seine erste große Aufführung kommt.
    Â»Ruhe!«
    Â»Du wärst eine lausige Mutter.«
    Â»Sieh dich doch selbst an! Bist du eine Vorzeige-Mutter? Mit
Handschellen gefesselt, nachdem du einem Toten quer durch die Welt nachgerannt
bist wie eine ganz gewöhnliche Schlampe. Wenn ihm viel an dir gelegen wäre,
dann hätte er dich mitgenommen, schon um eine Pflegerin zu haben, wenn es ans
Sterben ging.«
    Eine scharfe Erwiderung liegt mir auf der Zunge. Ein Atemholen, und
ich kann ihn vernichten. Aber ein Wort von außen bringt mich zum Schweigen.
    Â»Zoe?«
    Die Stimme dringt gedämpft durch die Tür, aber ich erkenne sie, und
mein Herz rast.
    Â»Irini?«, rufe ich, so laut ich kann.
    Der Schweizer explodiert wie eine Leuchtkugel in der Nacht. »Halt
den Mund! Halt den Mund!«
    Â»Ich habe dir gesagt, dass sie noch lebt.«
    Â»Du weißt gar nichts«, sagt er. »Sieh doch! Sie hat dich an ihre
Artgenossen verraten. Ein Monster, das sich mit anderen Monstern vereinigt.«
    Â»Ich glaube dir nicht.«
    Â»Du solltest sie sehen, Amerika, wie sie mit den anderen an der
Kaimauer steht. Sie hat die Absicht, uns umzubringen, uns und vielleicht auch
dein Kind.«
    Dein Kind. Ein Umdenken. Er will das Baby
nicht mehr, jetzt da er weiß, dass ein Elternteil an dem Virus starb, das er
für Pope in den Labors von Pope Pharmaceuticals entwickelt hatte. Wie schnell
dieser Mistkerl sich anpassen kann! Aber das beunruhigt mich. Das beunruhigt
mich sehr. Weil meine Tochter für ihn nun ebenso nutzlos ist wie ich, wird ihm
wenig daran liegen, sie am Leben zu erhalten.
    Â»Ich kann sie nicht sehen, wenn ich mit Handschellen an den Boden
gefesselt bin.«
    Es folgt ein innerer Kampf. Einerseits will er mir beweisen, dass er
recht hat, andererseits entlässt er mich nur ungern in die Freiheit. Er muss
sich entscheiden. Am Ende siegt seine Unvernunft. Meine Fesseln klirren zu
Boden. Ich bin frei und doch gefangen.
    Mit weichen Knien stolpere ich zur Tür, sehe Irini mit eigenen
Augen. Ihre Haut leuchtet im Mondlicht.
    Der Schweizer hat recht. Sie ist nicht allein. Die anderen stehen
dicht gedrängt am Rand des Hafenbeckens. Menschen, die keine Menschen mehr
sind. Und doch erscheinen sie unter diesem Mond unversehrt und völlig normal.
Ich kann nicht unterscheiden, was Gestalt und was Missgestalt ist. Irini hat
die Laufplanke betreten. Sie strengt ihre Stimme an, um das laute Weinen meines
Babys zu übertönen. Der Mond spiegelt sich auf dem Messer, das sie umklammert.
    Â»Ist ein Mädchen?«, ruft sie.
    Â»Du sagst kein Wort!«, zischt mir der Schweizer zu.
    Aber ich nehme keine Befehle mehr von ihm entgegen. »Ja.«
    Â»Ist gesund?«
    Â»Ja.«
    Â»Komm. Ich will dich sehen.«
    Die Hand des Schweizers schließt sich wie eine Eisenklammer um
meinen Arm. »Tu das nicht!«
    Ich versuche ihn mit meinen Blicken einzuschüchtern. »Wie viele
Schuss hast du noch? Genug für mich und die da? Oder hebst du dir die letzte
Patrone für dich auf?«
    Er greift nach meinem Kind.
    Â»Rühr sie an, und du bist tot.«
    Dann trete ich über die Schwelle. Ich wähle das kleinere Übel.

    Die Laufplanke biegt sich und schwankt unter dem Gewicht meines
gebrochenen Herzens. Am Ufer weichen Gestalten zur Seite und machen eine Gasse
für mich frei. Was sie sind, bleibt in diesem diffusen Licht unklar. Sie sehen
aus wie ich, erschöpft von dieser Welt und ausgebrannt. Vielleicht sind sie ich, auch wenn sie sich in einer fremden Sprache
unterhalten.
    Â»Wer sind deine Begleiter?«
    Â»Einfache Leute«, entgegnet Irini.
    Â»Befinden wir uns in Sicherheit?«
    Â»Ja.«
    Â»Du hast überlebt.«
    Â»Ja.«
    Â»Wie?«
    Â»Vielleicht ist nicht nur mein Gesicht anders. Vielleicht auch das,
was innen ist.«
    Irina nimmt mir das Kind aus den Armen, stützt das empfindliche
Köpfchen mit der sonnengebräunten Hand. Zu nahe an der scharf geschliffenen
Messerschneide.
    Â»Bitte!«
    Â»Ich verletze nicht.« Sie lächelt auf das süße kleine Gesicht herab.
»Wir

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