Whitley Strieber
aufzustehen und zu gehen. Wenn
er tatsächlich gleich wieder verschwand, würde sie ihn beschatten las- sen müssen, außer aber Sarah hatte sie niemanden, der dazu in der Lage war. Und Sarah wollte sie dafür nicht einsetzen; es war zu ge- fährlich.
Ward war der Schlüssel zu allem. Er wirkte jedoch so brav, dass sie nicht genau wusste, wie sie ihn verführen sollte oder ob dies über- haupt möglich war. Sie würde es mit ihrer Junges-Unschuldi- ges-Mädchen-Nummer versuchen. Vielleicht sprang er ja auf diesen Typ an.
»Hören Sie«, sagte er, »ich arbeite ziemlich intensiv an dieser Ge- schichte. Ich denke, es ist ein ganz großes Ding. Etwas Unfassbares verbirgt sich hinter dem, was Ellen Wunderling zustieß – ich bin mir fast hundertprozent sicher. Und ich würde gerne Ihre Hilfe in Anspruch nehmen. Was ich wissen möchte ist, ob ich bei Ihnen wenigstens eine kleine Chance habe.«
»Versuchen Sie es einfach.«
Er stellte sein Glas ab. Miriam schnippte mit den Fingern, und Bill brachte augenblicklich einen neuen Drink an den Tisch. In dem Mo- ment kamen einige Gäste herein, darunter Jewel und ein etwas fahrig wirkender Ben Stiller. Gute Gesichter für den Club. Es würde ein netter Abend werden.
Paul sah, wie im hinteren Bereich der Bar ein Gast nach dem ande- ren durch eine schimmernde schwarze Nebelwand verschwand. Dies verriet ihm, dass der Club größer sein musste, als er anfangs vermutet hatte. Er fragte sich, was passieren würde, wenn er einfach aufstünde und ebenfalls durch die Wand ginge. Dieses kleine Mädchen konnte ihn nicht aufhalten. Als er sich zu ihr gesetzt hatte, hatte er sie auf zweiundzwanzig geschätzt. Nun begann er sich zu fragen, ob sie über- haupt alt genug war, um den Alkohol trinken zu dürfen, den sie ver- kaufte. Gott, sie war trotzdem bildschön.
Und sie wusste etwas über Ellen Wunderling, das sie bislang nicht preisgegeben hatte. Dies hatte ihm ein beinahe unmerkliches Zucken in ihren Augenwinkeln verraten. Er wünschte, er hätte sie nach Belie- ben verhören können. Sie war ein unschuldiges kleines Ding. Er würde nicht mal einen Gummischlauch brauchen, um sie zum Reden zu brin- gen. Eine leichte Ohrfeige würde schon reichen.
Er wollte ihr ins Höschen fassen, und dies lenkte ihn ab. Diese ver- dammte Stadt musste voller Vampire sein, die nur darauf warteten, umgebracht zu werden, und wenn dieses Luder ihm etwas über Ellen
Wunderling verschwieg, verschwieg sie ihm womöglich auch Dinge, die ihn zu den verdammten Blutsaugern führen würden.
»Lassen Sie mich Ihnen eine Frage stellen«, sagte er. »Kennen Sie den New York Times-Artikel über den Fall?«
»Natürlich.«
»Darin wird angedeutet, dass es Leute gebe, die sich für Vampire halten. Leute, die echtes Blut trinken. Wenn ich mutmaße, dass diese Leute vielleicht Ellen Wunderlings Blut getrunken haben – wie reagie- ren Sie darauf?«
»Die Vampir-Szene ist tot.«
»Nicht für diese Leute. Sie glauben, dass ihnen das Trinken von Menschenblut etwas bringt – außer Aids, meine ich. Eine Art Lebens- kraft oder so. Vielleicht glauben sie, die Seele des Toten zu trinken.« Während er sprach, dachte sie daran, wie er hinter einer Waffe aus- sah. Sie erinnerte sich an den Hass in seinen Augen und wie sie auf- blitzten, wenn er einen ihrer Art umbrachte. Diese Kreatur liebte ihre Arbeit, verdammt nochmal. Wenn sie ihn von Leo aussaugen ließ – und das würde sie am Ende gewiss tun –, würde sie der Kleinen be- fehlen, es sehr, sehr langsam zu machen.
»Seelentrinker«, sagte sie. »Gott, das ist starker Tobak.«
»Ich weiß, aber es ist tatsächlich wahr – ich meine, zumindest in dem Sinne, dass diese Leute wirklich daran glauben. Natürlich ist es völli- ger Schwachsinn ...«
»Natürlich.«
»Aber sie glauben daran, und das ist es, was zählt. Schauen Sie sich die Statistiken an. Es gibt unzählige Fälle von Leuten, die spurlos ver- schwunden sind, oder?«
»Ich weiß nicht.«
»In den USA verschwinden mehr als dreihunderttausend Menschen im Jahr.«
»Sie machen Witze ... Ich würde sagen, dass sich die meisten wahr- scheinlich wegen Geldschulden aus dem Staub machen oder weil sie ihren Partner nicht mehr ausstehen können.«
»Mag sein, aber viele Fälle haben einen völlig anderen Hintergrund. Glauben Sie mir, Miss – wie heißen Sie noch gleich?«
Er sah gut aus, sehr gut sogar. Dennoch, seine Manieren ließen zu wünschen übrig. »Miriam Blaylock.«
»Miss Blaylock.« Er machte
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