Whitley Strieber
letzten Minuten ihrer Unterhaltung beschloss er, seine Meinung über die kleine Miriam Blay- lock zu revidieren. Er würde um dreißig Jahre Geheimdienstarbeit wet- ten, dass dieses junge Ding nichts Brauchbares über Ellen Wunderling oder Vampire oder über irgendetwas anderes wusste, das mit der Ge- schichte zusammenhing. Doch die Art, wie sie seinen Blick erwiderte, dieses niedliche, wunderschöne Lächeln – nun, es verriet ihm, dass es an der Zeit war, das Thema zu wechseln.
Ihr Lächeln wurde eine Spur breiter, erreichte ihre strahlenden Au- gen. Er sah ihr förmlich an, wie sie entschied, dass sie seine CIA- Zugehörigkeit unterhaltsam fand. Endlich hatte der Ausweis ihm mal genutzt. Unglaublich.
»Möchten Sie meinen Club sehen?«
»Es heißt, er sei der exklusivste Club in ganz New York.«
Sie beugte sich vor und berührte mit den Fingerspitzen seinen Handrücken. Dann lachte sie bedeutungsvoll; es war ein heller Glock- enton, ein Lachen, das ihr besonders gut gefiel. »O ja, das ist er. Sehr exklusiv. Aber wenn Sie möchten, zeige ich Ihnen alles. Willkommen im Veils.«
16
Dämonenliebe
»Es sieht aus wie eine Wand – ich meine, wie eine ganz gewöhnliche Wand.« Paul streckte den Arm aus und schob die Hand in den Durchgang.
»Doug Henning war ein Meister seines Fachs.«
»Der Lichtkünstler, der so jung gestorben ist?«
»Ja, genau der.« Doug war ein schmackhafter junger Mann gewe- sen.
Sie nahm seine Hand und trat mit ihm durch die Wand.
Techno-Musik traf ihn wie eine Lawine – eine Lawine aus reinem Sound. Der dunkle Raum war mit milchigen Rauchschwaden verhan- gen. Laser flackerten im Takt der sehr schnellen Musik, die verschie- densten Körperteile einer großen Zahl von Tanzenden offenbarend. Auf einer kleinen Bühne, deren Boden wie ein Spiegel glänzte, ham- pelte ein Schatten hinter dem größten Mischpult herum, das er je in ei- nem Club gesehen hatte. Der DJ war gesichtslos, selbst sein Kopf war bedeckt. Er war dürr wie ein Skelett, doch vielleicht war dies bloß eine optische Täuschung.
Die Intensität der Musik lag jenseits von allem, was Paul in dieser Richtung bislang erlebt hatte. Für einige Sekunden war er praktisch bewusstlos, während er durch die dichten Marihuana- und Crack- Rauchschwaden wankte und das Gefühl hatte, schon nach dem zwei- ten Atemzug berauscht zu sein. Dann fühlte er sich mit einem Mal so, als sauge die Musik ihn auf, reiße ihm die Seele aus dem Leib und lasse ihn über den Boden schweben. Er schrie, wusste und spürte, dass er schrie. Aber die Musik war so laut und der Rhythmus so mitrei- ßend, dass sein Bewusstsein die Kontrolle über die primitiven Hirna- reale verlor und er unweigerlich zu tanzen begann. Er dachte an Voo- doo, an das Herumhampeln der Medizinmänner, an die Trance der Götter.
Er konnte nicht anders als zu tanzen. Es war unmöglich aufzuhören. Um ihn herum offenbarten die Laser schwitzende, aber wunderschöne Gesichter, Göttinnen und Götter, und er glaubte, sich auf irgendeinem olympischen Berg zu befinden. Er hatte das Gefühl, sich aus dem Ozean des Lebens in ein höheres Dasein erhoben zu haben. Er war
von tiefer Zufriedenheit erfüllt, sein Herz explodierte vor Glückseligkeit, und ein Gefühl durchströmte ihn, als hätte flüssiges Feuer das Blut in seinen Adern ersetzt.
Es war Zauberei, dachte er, pure Magie. Satans Hufe trampelten auf ihm herum, gleichzeitg aber streichelten Satans weiche Hände seine Seele. Er sah die Frau – Miriam – mit zwei anderen Schönheiten ne- ben der Bühne stehen. Dann erschien ein Mann und stürmte auf der Tanzfläche umher, als hätte er einen schlimmen Anfall. Er trug einen wallenden schwarzen Umhang, auf den ein rotes Pentagramm genäht war, und hieb mit einem Funken sprühenden Zauberstab auf die wild herumspringenden Gäste ein.
Dann sah Paul, dass die meisten Tänzer fast nackt waren und dass eine Frau einem Mann mit einer riesigen Spritze unter die Zunge stach und dass der Mann die Augen verdrehte, als stünde er kurz vor dem Exitus. Schweiß flog durch die rauchgeschwängerte Luft. Unzählige Pillen lagen auf dem Fußboden. In diesem Etablissement gab es mehr Drogen, als er je auf einem Haufen gesehen hatte, sei es in Bangkok, in Paris oder sonstwo.
Es war höllisch und himmlisch zugleich; er war glücklich und hatte Todesangst. Es kam ihm vor, als wäre in dieser gottverdammten Tanz- höhle der Teufel persönlich anwesend, und er fühlte sich, als würde ihn wieder der
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