Whitley Strieber
gut verheilte, sich aber schmerzhaft in Erinnerung brachte, sobald er den Arm hob. Leo sah fabelhaft aus, war attraktiv bis zum geht nicht mehr. Er könnte sofort in sie eindringen, tief eindringen. Seine Bestückung war von einigen Frauen als sensationell bezeichnet worden. Vielleicht hatte sie Lust, ihn auszuprobieren.
Er beschloss, es auf einen Versuch ankommen zu lassen. »Hören Sie, ich würde gerne –« Der Blick, mit dem sie ihn bedachte, ließ ihn augenblicklich verstummen. »Lassen Sie uns runtergehen«, stammelte er mit vor Verlegenheit belegter Stimme. Er konnte mit ihr in diesem Raum keine schnelle Nummer schieben. Er war kein Engel; er brauchte ein bisschen Privatsphäre.
Sie schlenderte ins Foyer hinaus. Er war sich nicht sicher, was für eine Frau sie war und wollte sie nicht beleidigen. Aber er musste es ir- gendwie hinbekommen. Er war ein Mann. Er konnte doch nicht einfach nach Hause gehen und sich in seinem Hotelzimmer einen runterholen, nicht nach allem, was er heute Abend gesehen und erlebt hatte. Auch er wollte ein bisschen geliebt werden. Aber da ihm dies wahrscheinlich nicht vergönnt sein würde, würde sie ihm vielleicht wenigstens eine kleine Gefälligkeit erweisen.
»Ich finde, Sie sind wirklich eine – ich meine, ich könnte Ihnen eine
Menge Spaß bereiten. Falls es etwas kostet – falls die Tour so läuft –« »Ich möchte Ihnen jetzt einen ganz besonderen Raum zeigen«, sagte sie und nahm seine Hand.
Er konnte sich nicht vorstellen, wie sich das, was er bisher gesehen hatte, noch übertreffen ließ. Dies war nicht einfach bloß ein Ort, an dem man seine Gelüste auslebte. Es war ein Ort, an dem man lernte, dass man seine geheimen Gelüste nicht zu verstecken braucht, sich ihrer nicht schämen muss. Selbst die armen Schweine in der Folter- kammer lernten diese Lektion, wenn auch auf ihre ganz besondere Weise.
Die Leute, die hierher kamen, waren extrem priviligiert. Er hatte es Zeit seines Lebens tragisch gefunden, dass das Leben der Menschen durch soziale Barrieren eingeschränkt wurde. Miriam Blaylock, die er inzwischen für ein junges Genie hielt, versuchte diese Barrieren nie- derzureißen, und allmählich war er der Meinung, dass ihr dies auch gelang.
Im hinteren Teil des Clubs betraten sie einen mit Neonröhren be- leuchteten Gang und stiegen eine Stahltreppe hinunter. An jedem Treppenabsatz hing ein Feuerlöscher. Ihm waren auch die verschiede- nen Notausgänge, die Sprinkleranlage und die zahlreichen Rauchmel- der aufgefallen. »Ich habe in einem Nachtclub noch nie so viele Si- cherheitsvorkehrungen gesehen.«
»Wir sind sehr vorsichtig. Wir möchten, dass unsere Gäste sich ab- solut sicher fühlen können.«
»Nun, ich habe mich im Leben noch nie so sicher gefühlt wie hier.« Sie drückte seine Hand.
»Hören Sie«, sagte er, »tut mir Leid, wenn ich Ihnen zu nahe getre- ten bin oder Sie beleidigt habe. Ich – ich finde Sie halt sehr, sehr at- traktiv.«
»Wie schmeichelhaft.«
Am Fuß der Treppe gelangten sie an eine Tür, die aussah, als führte sie zur Straße hinaus. Ihm kam ein schrecklicher Gedanke. »Ich werde doch jetzt nicht rausgeworfen, oder?«
Sie öffnete die Tür. Dahinter lag ein kleiner, vollständig verspiegelter Raum. Als er hineinging, starrten ihn aus allen Richtungen aberdut- zende, sich in endlosen Folgen verlierende Ebenbilder seiner selbst an. Es war eine Art visuelles Echo. »Hey, das ist –«
»Viel Spaß.« Sie schlug die Tür zu, und plötzlich war er ganz allein in dem Raum. Er wirbelte herum, sah aber nur weitere Spiegel und
konnte die Tür nicht mehr finden.
Er hasste nichts mehr, als eingesperrt zu sein. Aber dies war ein Ort der sinnlichen Wonnen. Einem armen Schlucker wie ihm wurde das größte Vergnügen seines Lebens bereitet, und dies würde er sich nicht verderben, indem er ausflippte.
Er würde also nicht ausflippen, aber der Mann, der ihn aus unzähli- gen Spiegeln anstarrte, sah aus, als würde er es doch tun. Dann glaubte er, ein anderes Gesicht zu erkennen. Er sah – o Gott, wie be- scheuert es von ihm gewesen war, hier hineingegangen zu sein! Es war einer von denen, der ihn durch den verdammten Spiegel beobach- tete. Er griff nach seiner nicht mehr vorhandenen Waffe, dann schlug er zu. Seine Faust drosch gegen den Spiegel. Der Raum erbebte, er spürte einen stechenden Schmerz in seiner verletzten Schulter ... aber der Spiegel zersprang nicht.
Eine leise Stimme erklang: »Wenden Sie sich nach rechts und kom-
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