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Whitley Strieber

Whitley Strieber

Titel: Whitley Strieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Kuss des Vampirs
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er, dass die Asiaten älter waren als die Europäer und sich deswegen nur un- gern auf den Straßen zeigten. Vielleicht waren die amerikanischen Vampire noch jünger und menschenähnlicher. Möglicherweise misch- ten sie sich sogar in einem exklusiven Nachtclub unter die Gäste. Er betrachtete noch einmal die Schuhe an seinen Füßen. Gucci ver- wendete für seine Produkte sicher keine Menschenhaut, also war diese Theorie hinfällig.
    Alles in allem stand ihm der Anzug ausgezeichnet, wenngleich er seit zwanzig Jahren aus der Mode zu sein schien. Das Jackett hatte einen breiten Kragen und die Hose einen leichten Schlag. Die Sachen muss- ten einem Mann gehören, der ebenso breite Schultern hatte wie Paul und genauso groß und kräftig gebaut war. Eben nur etwas schlanker. Er betrachtete sich im Spiegel. »Unglaublich«, sagte er, »ich sehe aus wie ein Multimillionär.«
    Leo beschloss, dass sie ihn tatsächlich abscheulich fand. »Sie sehen fabelhaft aus«, log sie.
    »Wem gehört dieser Anzug?«
    »Einem Freund von uns. Hören Sie, ich habe eine Idee. Der nächste DJ-Auftritt findet erst nach dem Abendessen statt. Möchten Sie den Rest des Clubs sehen?«
    Eine persönliche Führung von dieser Schönheit? »Klar.«
    Sie ging durch eine weitere Wand. Er folgte ihr, in Erwartung, wieder

von ohrenbetäubender Musik erschlagen zu werden. Doch er wurde nicht erschlagen. Genau genommen befand er sich in gar keinem Raum. Er stand in einem japanischen Garten, im Freien – zumindest schien es so. Der Abendhimmel war übersät von Sternen, ein gelbli- cher Sichelmond neigte sich dem Horizont entgegen. Glockenspiele aus Bambus schufen eine entspannende Klangkulisse; Wasser floss über kleine Felsen. Grillen zirpten; eine Fledermaus flog an ihm vor- über. Hier und dort konnte er in der Dunkelheit Gestalten ausmachen. Etwa ein Dutzend Leute, alle mit schwarzen Umhängen bekleidet, sa- ßen auf Bänken oder im Gras. Ein bebrillter Mann mit einer altmodi- schen Arzttasche ging wie ein Kellner zwischen ihnen umher, mit leiser Stimme redend, und reichte den Leuten Dinge aus seiner Tasche. Paul roch Opium ... wirklich gutes Opium. Er war schon von den Rauchschwaden auf der Tanzfläche benebelt, oder man hatte ihm et- was in die Drinks geschüttet, die er vor einer Million Jahren getrunken hatte. Aber Opium liebte er über alles, und heutzutage war es eine äu- ßerst schwer erhältliche Droge. Der Duft versetzte ihn in die Zeit im kambodschanischen Dschungel zurück, als es dort noch vergleichs- weise ruhig zugegangen war und sie sich gemütlich dem Drogenge- nuss hingegeben hatten.
    Sie waren natürlich nicht wirklich im Freien. Sie standen unter einem tief hängenden Kunsthimmel, mitten in der Betonwüste Manhattans. Leo nahm seine Hand und führte ihn am Rand des Gartens entlang. »Hey, warten Sie. Ich habe Lust auf eine Pfeife.«
    »Wenn Sie hierbleiben möchten, kostet es tausend Dollar die Stunde.«
    Wahrscheinlich konnte man in diesem japanischen Garten locker zehntausend Mäuse pro Nacht loswerden.
    »Der nächste Raum ist äußerst ungewöhnlich. Vergessen Sie bitte nicht, unser Credo lautet: ‘Keine Grenzen und keine Verbote’.« »Klingt gut.« Paul folgte ihr durch eine weitere schwarze Nebelwand und stand nun in einem völlig verspiegelten Foyer, an dessen Ende sich ein Tunneleingang befand. Er zögerte. »Wo führt der hin?« »Nach unten. Aber es sieht nur aus wie ein Tunnel. Gleich hinter dem Eingang befindet sich eine Treppe.«
    Es fiel ihm schwer, in etwas hineinzulaufen, das genau wie die Tun- nel in Paris aussah, aber Paul folgte ihr. Er fand sich in einem spärlich beleuchteten Treppenhaus mit schwarzen Wänden und einer niedrigen schwarzen Decke wieder. Die Gummikanten an den Stufen verliehen

dem Ort die Aura einer behördlichen Institution. So musste es, dachte er, in gewissen Gefängnissen aussehen.
    Sie gelangten an eine schwere Eisentür. »Was ist dahinter?« »Wir nennen es die ‘Folterkammer’«, sagte sie lachend. »Es sind hauptsächlich Politiker drin.« Sie zog die Tür auf.
    Das Erste, was er sah, war ein feuerroter Hintern. Leonore ging hin- ein und verpasste den Pobacken im Vorübergehen einen kräftigen Klaps. »Vielen Dank«, sagte eine Männerstimme.
    Paul folgte ihr. »Soll ich auch? Ich meine, ich bin ein Mann.« »Das ist ihm egal.«
    Paul schlug ihm wuchtig auf den Hintern.
    »Vielen Dank, mein Herr!«
    Paul beugte sich hinunter und versuchte das Gesicht des Mannes zu erkennen, der

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