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Whitley Strieber

Whitley Strieber

Titel: Whitley Strieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Kuss des Vampirs
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Zustand gesehen.
    »Leo, hast du je bei einer Operation assistiert?«
    »Um Gotteswillen, nein.«
    Sarah packte Miri an den Schultern. »Miri, verstehst du mich? Miri!« Langsam, Millimeter um Millimeter, nahmen ihre Züge wieder einen etwas vernünftigeren Ausdruck an. »Du hast kein Recht gehabt, ihn mir zu nehmen.« In ihren Augen blitzte der Stolz der Herrschenden auf. » Du hast kein Recht dazu gehabt!«
    »Bitte, verzeih mir«, sagte Sarah.
    »Dann rette ihn! Rette ihn!«
    Sarah drehte ihn auf den Bauch. Der Eintrittspunkt der Kugel lag un- terhalb des Herzens. Wenn die Koronararterie unverletzt war, hatte er vielleicht noch eine Chance. Sie hatte keine Zeit, seine Blutgruppe zu bestimmen, deswegen würde sie O+ nehmen. Sie sagte zu Leo: »Bring mir sechs Blutkonserven aus dem Kühlschrank. Miri, du hängst sie an den Ständer.« Dann ging sie zum Schrank und holte ihre Instru- mente heraus, zu denen neben einer kompletten Operationsausstat- tung auch eine spezielle Zange zum Herausziehen von Schussprojek- tilen gehörte.
    Es gab hier unten sogar ein Röntgengerät, aber sie konnten ihn un- möglich dorthin tragen. Dazu fehlte die Zeit. »Skalpell«, sagte Sarah, während sie die Eintrittswunde mit Betadine abtupfte. Ein kurzer Blick verriet ihr, dass Miri die Blutkonserven fachmännisch an den Transfu- sionsständer gehängt hatte.
    Wenn er tatsächlich ein Hüter von bislang unbekannter Art war, be-

fand sie sich auf völlig neuem Terrain. Miriams Blut in Sarahs Körper arbeitete wie ein eigenständiges Organ. Es floss neben Sarahs eige- nem Blut, ohne sich mit ihm zu vermischen. Wie dagegen der Organis- mus dieses Mannes funktionierte, konnte Sarah nicht einmal erraten. Sie schnitt die Eintrittswunde auf, fortwährend Befehle bellend. »Spreizklammern!«, rief sie, als sie den Rippenkorb erreichte. »Klampen!«, sagte sie, als sie auf zerfetzte Blutgefäße stieß.
    Den Lungenflügel konnte sie nicht vollständig umgehen, doch es ge- lang ihr, die Blutung soweit zum Stillstand zu bringen, dass sie das Projektil fand und herausfischen konnte. Die Zeit verlor für sie jegliche Bedeutung. Aufgrund ihrer jahrelangen Erfahrung an Operationsti- schen fiel es ihr leicht, sich voll auf ihre Aufgabe zu konzentrieren. Teilweise bewegten sich ihre Finger fast auf magische Weise, aber es war größtenteils ihre gründliche Ausbildung, die ihr half, diese schreck- lich herausfordernde Operation ohne gravierende Fehler durchzufüh- ren.
    Als sie schließlich die Operationswunde vernähte, war sein Blutdruck auf 80 zu 50 gestiegen, und sein Puls lag bei 160. Die Körpertempera- tur von 37,5 Grad ließ darauf schließen, dass er die Bluttransfusion gut vertrug. Sie legte ihm eine Elektrolyt-Infusion und holte danach ihren Rezeptblock. Sie schrieb eine Weile und drückte das Rezept schließ- lich Leo in die Hand. »All diese Dinge gibt es in der Apotheke im River- side Hospital.«
    »Wie geht es ihm?«, fragte Miriam. Über ihrem nackten Körper trug sie noch immer den blutbesudelten Morgenmantel. Ihr Gesicht war ein- gefallen, ihre Haut grau.
    »Er wird durchkommen.«
    Miriams Züge lösten sich auf, dann warf sie sich weinend in Sarahs Arme.
    »O Miri«, sagte Sarah, »es tut mir so Leid. Ich wusste ja nicht, dass ...«
    »Vor etwa tausend Jahren hat man versucht, die beiden Spezies mit- einander zu kreuzen. Die Hüter wollten der Notwendigkeit entfliehen, Menschenblut trinken zu müssen. Das Ergebnis dieses Versuchs fiel nicht gut aus. Wir hatten Menschen erschaffen, die so schnell und stark waren wie Hüter. Deswegen haben wir alle betreffenden Familien ausgelöscht – außer einer. Vor ungefähr vierzig Jahren fanden wir einen letzten Nachfahren dieser Familie. Er wurde vernichtet. Offenbar hatte er einen Sohn.«

»Das fällt mir schwer zu glauben, Miri. Es ist unmöglich, unsere bei- den Spezies miteinander zu kreuzen. Abgesehen von einigen äußeren Parallelen sind wir so verschieden wie Tiger und Kühe.«
    »Du ahnst ja nicht, wozu unsere Wissenschaft imstande war – als wir noch eine Wissenschaft besaßen.«
    »Was wurde denn aus ihr?«
    Miriam betrachtete sie. Sie lachte kurz auf, und Sarah spürte hinter diesem Lachen eine verborgene Historie voller Geheimnisse, die sie ihr niemals offenbaren würde. »Es war so schön, mit ihm zu schlafen. Ich fühlte mich in die Zeit meines Lebens zurückversetzt, als ich wirk- lich glücklich war. O Sarah, ich liebe ihn so sehr!«
    Sarah spürte die in ihr aufwallende

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