Whitley Strieber
unglaubliche Wir- kung des Blutes, die ihr die Kraft dazu gab, wie Sarah wusste. Die ers- ten Tropfen hatten Leo vor Wonne fast verrückt gemacht, und sie würde eher den Teufel zur Hölle jagen, als von Pauls blutendem Hals abzulassen.
Sarah wusste, dass sie dieses Monster nicht töten würden. Sie rannte aus dem Schlafzimmer.
Leo bemerkte kaum, was geschah. Dieses Blut – es war ein Wunder, es schmeckte wie Sonnenlicht, wie der Himmel. Jeder Schluck floss augenblicklich in ihre ausgehungerten Zellen und erfüllte sie mit Ener- gie und Kraft und sirrender Ekstase.
Dann legten sich kräftige Arme – wirklich kräftige Arme – um sie und rissen sie los. Paul, aus dem Hals blutend, fiel auf die Knie. Er schwankte keuchend hin und her – und packte Leos Handgelenk und zog sie zu sich herunter. Er wollte etwas sagen, brachte aber keinen Ton heraus. Doch sein hasserfüllter Gesichtsausdruck war phänome- nal, fast übernatürlich.
Miri riss sie von ihm fort und brüllte ihr direkt ins Gesicht: »Er gehört zu meiner Rasse! Zu meiner Rasse!«
Ein Schock fuhr durch Sarah, die in das Schlafzimmer zurückgeeilt war. Was behauptete Miri da ... dieser Mann sollte ein Hüter sein? Die- serMann?
Er sprang auf, riss einen Holzpfosten vom Bettgestell ab und schwang ihn durch die Luft. Der Pfosten sauste haarscharf an Leos Kopf vorbei. Dann zielte er auf Miri, die sich jedoch blitzschnell duckte. Der Pfosten schlug mit einer solchen Wucht an die Wand, dass das ganze Haus erbebte.
Er stürzte sich auf Miri. Seine Hände schlossen sich wie Handschel-
len um ihren Hals. Leo packte seine Arme, konnte ihn aber nicht losrei- ßen. Trotz des immensen Blutverlusts war er stark wie ein tollwütiger Bär.
»Er bringt sie um«, rief Leo. Sie hieb auf seinen Rücken ein. Miris Augen traten aus den Höhlen. Leo zerrte an seinen eisernen Armen. Miris Gesicht verschwamm. Ihr Mund nahm seine natürliche Form an; die Prothese, die ihm ein menschliches Aussehen verlieh, sprang her- aus. Dann schob sich wegen des Würgedrucks ihre Zunge zwischen die Lippen. Sie war schwarz und spitz und blutbesudelt. Noch immer quoll Blut aus seinem Hals und tropfte auf ihren Mund.
Leo schlug ununterbrochen auf ihn ein, aber er war völlig auf Miri fi- xiert; er war wie ein zum Töten programmierter Kampfroboter. Plötzlich gab es eine ohrenbetäubende Explosion, und er fiel wie ein Stein zu Boden. Leo warf sich zwischen ihn und Miri, die hustend auf die Beine kam und sich den Hals rieb.
Sarah stand wie erstarrt da, die riesige Magnum in Händen. Miri taumelte. Dann warf sie sich auf ihn; sie drehte ihn auf den Rücken und versuchte, seine Blutung zu stoppen. »Hilf mir!«, schrie sie.
»Miri, lass Leo trinken. Sie braucht das Blut!«
»Du bist Ärztin! Hilf mir!«
»Miri, er ist gefährlich! Wir müssen ihn töten!«
»Rette ihn, Sarah! Bitte!«
»Nein, Miri! Los, Leo, mach weiter!«
Miri sprang auf und schleuderte, bevor Sarah sie aufhalten konnte, Leo wie eine Spielzeugpuppe quer durch das Zimmer. Dann riss sie Sarah die Magnum aus den Händen.
Sarah bereitete sich auf den Tod vor.
Aber Miriam schob sich den Lauf in den Mund und kniff die Augen zu.
Der Schuss würde sie nicht umbringen, würde sie aber zu schwer verletzen, um von der Verwundung zu genesen. Am Ende würde Sa- rah ihr Herz zum Stillstand bringen müssen.
»Miri, nein!«
»Dann hilf ihm.«
Sarah kniete neben der bewusstlosen Gestalt nieder und presste einen Finger auf die blutende Halswunde. Seine Augen waren zurück- gerollt; sein Körper zuckte wegen des Blutverlusts und des Schocks. Er hatte vielleicht noch fünf Minuten zu leben, wahrscheinlich weniger.
»Wir müssen ihn nach unten bringen«, sagte Miri. Sie warf die Waffe fort.
Miriam packte seine Schultern, Sarah die Beine. Sie brachten ihn zum Aufzug in der Eingangshalle, während Leo vorausrannte und die Treppe nahm. Sie hatte ein weißes Laken über den Untersuchungs- tisch gebreitet, als die beiden mit Paul im Labor ankamen.
»Dies wird sehr problematisch«, sagte Sarah. Sie legte ihm eilig einen Druckverband um den Hals. Er hatte beinahe zwei Drittel seines Blutes verloren. Sein Blutdruck musste fast bei null liegen. »Ich ver- liere ihn.«
Miriam brach in Tränen aus und warf sich auf ihn.
»Hol sie herunter«, sagte Sarah zu Leo.
Doch als Leo sie berührte, warf Miri den Kopf herum und fauchte Leo mit schmerzverzerrtem Gesicht an wie eine tollwütige Wölfin. Sarah hatte sie nie in einem so aufgewühlten
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