Whitley Strieber
seiner Haut ein etwas schär- ferer Schweißgeruch.
Etwas an den Gerüchen war eigenartig. Er hätte viel stärker nach Sex riechen sollen und weniger nach ... nun, wie es schien, fürchtete er sich. Wahrscheinlich weil sie zu lange in zu großer Nähe verbracht hatten. Bei der Jagd sollte man schnell handeln, nicht eine Stunde mit seinem Opfer Seite an Seite sitzen, bevor man loslegte.
Im Flughafen-Gebäude schlug ihnen die Wand verdreckter Luft ent- gegen, die das Leben in Bangkok prägte.
Ganz gleich, auf welche Perversion er stand, hier konnte der Rei- sende Befriedigung finden. Der Thailänder war ursprünglich von Luxus liebenden Hütern gezüchtet worden und besaß noch heute den würzi- gen Beigeschmack sexueller Kompetenz, der ihm damals angezüchtet worden war. Jede Herde auf der Welt besaß noch das Markenzeichen ihrer Hüter. Man fand die Ordnungsliebe und Arbeitswut der nördlichen Hüter in den von ihnen gezüchteten germanischen Völkern wieder und bei den Franzosen, Spaniern und Italienern die Leidenschaft und Sub- tilität der südeuropäischen Hüter. Ganz besonders gefielen ihr die wil- den Mixturen der amerikanischen Misch-Herden, bei denen man nie
genau wusste, was einen erwartete.
Als Miriam und ihr Opfer in die Haupthalle des Flughafens hinaustra- ten, legte sie ihm eine Hand auf die Schulter; es war das zweite Mal, dass sie ihn berührte. Mit jedem Mal wuchs ihr Besitzanspruch. Sie spürte in seinen Muskeln kein flüsterndes Kribbeln des Begeh- rens, sondern das angespannte Vibrieren seiner Furcht. Dieses Opfer würde größte Sorgfalt und Aufmerksamkeit von ihr erfordern. Der Mann musste hoch sensibel sein, um sich so zu fühlen, wie er es im Augenblick tat. Vielleicht sollte sie lieber die Finger von ihm lassen. Er ging zu dem chaotischen Taxistand hinüber, ein Geldscheinbün- del in der Hand, und wenig später saßen sie in einem Taxi.
Es behagte ihr nicht, von Fremden in einem motorisierten Fahrzeug chauffiert zu werden, und ihr Fahrer war ein typisches Beispiel für diese durchgeknallte Zunft. Außerdem würde er sich mit Sicherheit daran erinnern, einen Thailänder und eine europäische Frau im Fond gehabt zu haben.
Ihr Opfer saß steif da und umfasste den Handgriff über seiner Tür. Als er ihr eine Zigarette anbot, gefiel ihr nicht, was sie in seinen Augen sah. Es gefiel ihr nicht, und sie verstand es nicht. Menschen sollten sich instinktiv zu ihrem Jäger hingezogen fühlen, von ihm fasziniert sein.
Sie ließ sich von ihm Feuer geben und nahm einen tiefen Zug. Ziga- retten schadeten Hütern nicht. Ihr Immunsystem fegte Krebszellen wie Brotkrümel aus dem Körper.
Einem plötzlichen Impuls folgend, gab sie ihm einen Kuss auf die Wange. »Asien«, flüsterte sie, »Asien ist so geheimnisvoll.«
»Ich arbeite in der Computerbranche. Da gibt es nichts Geheimnis- volles.«
»Ihr Akzent klingt nicht thailändisch.«
»Mein Vater war Diplomat. Ich bin in London und später in Burma aufgewachsen.«
Sie erinnerte sich an die Zeiten der Briten in Burma, als diese auf den riesigen Besitzungen der Krone noch Opium hatten anbauen dür- fen. Die Briten hatten auf ihre Arbeiter in derselben Weise herabge- schaut, wie Hüter auf Menschen herabschauten. Man konnte in den weitläufigen Opium-Plantagen umherschweifen und sich einen Pflücker nach dem anderen nehmen, wie ein Affe, der sich gierig mit Früchten voll stopfte. Danach konnte man am sozialen Leben der Plantagenbesitzer mit ihren weißen Anzügen und Billardzimmern und
ihrem Gin und ihren Tonicwassern teilnehmen. Manchmal konnte man sich sogar einen von ihnen nehmen, denn damals gab es noch Tiger in Burma, und man musste die Leiche nur entsprechend zerfleischt zu- rücklassen.
Schöne Nostalgie.
Sie trafen vor dem Royal Orchid ein; ihr Taxi hielt inmitten eines Li- mousinen-Meeres. Sie betrat die imposante, widerhallende Lobby. Die Frauen rissen entgeistert die Augen auf, als sie die elegant gekleidete Dame zur Rezeption schreiten sahen.
»Ich hätte gerne eine Suite.« Sie zückte ihre – oder besser Marie Tallmans – Visa-Karte. Der Hotelangestellte tat alles Weitere und reichte ihr eine Schlüsselkarte, dann wanderte sein höflicher Blick zum nächsten Gast hinter Miriam.
Sie hatte bisher keine Anstalten gemacht, sich besonders verführe- risch zu geben, denn sie wollte ihrem Opfer das Unbehagen nehmen. Er bedurfte einer bedächtigen Behandlung, und sie akzeptierte, dass diese Jagd womöglich nicht von Erfolg gekrönt
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