Whitley Strieber
Pappbecher. Ich sagte Eimer.«
»Wir haben nur diesen Becher.«
Sam lamentierte weiter darüber, dass die Franzosen nicht kooperiert hätten und nicht kooperieren würden und dass sie, solange sie nicht über alle Einzelheiten informiert waren, auf ihrem Hoheitsgebiet keine Operation gestatten würden.
»Sag mir eins, Sam. Ich bin neugierig. Warum diese Ressentiments? Ich meine, die Franzosen mögen den US-Geheimdienst nicht. Aber wir sind nicht der Feind. Das ist ihnen bisher immer bewusst gewesen.« »Der Kalte Krieg ist vorbei, mein Freund. Europa hat uns satt, und am sattesten haben uns die Franzosen. Sie hassen es, wie wir und die Briten sie mit dem Echelon-System elektronisch ausspionieren. Der US-Geheimdienst ist nicht mehr angesagt, Mann. Es ist an der Zeit, unsere Schalldämpfer einzupacken und abzuzischen.«
Der Pappbecher, in den sich der gesamte Gewitterregen zu ergießen schien, war voll. »Becky, würdest du ihn bitte ausleeren. Dies sind bur- mesische Schuhe. Ich möchte nicht riskieren, dass sie nass werden.« Ihr Blick wanderte zu seinen großen braunen Schuhen hinunter. »Die hast du in Myanmar gekauft?«
»Ich ließ sie anfertigen. Aber ich glaube, die Sohlen sind aus Pappe.«
»Sie sehen wie Beerdigungs-Schuhe aus.«
»Was zum Teufel sind ‘Beerdigungs-Schuhe’?«
»Schuhe, die Männer zu Beerdigungen tragen. Glänzende schwarze Altherren-Treter, etwa von 1974.«
Charlie Frater kicherte. Paul warf den beiden böse Blicke zu. Er hatte den untersetzten, bebrillten Charlie und die schlanke, liebenswerte Becky mitgebracht, weil die beiden die rücksichtslosesten Mitarbeiter waren, die er hatte. Charlie gehörte zu den Leuten, die nie genug be- kamen. Er begab sich ebenso bereitwillig in jede Gefahrensituation, wie sich ein Priester in seine Kirche begab. Das Eigenartige war nur, dass er aussah wie ein braver Verwaltungsbeamter, der sein Leben ausschließlich am Schreibtisch verbrachte.
Becky dagegen stellte sich vor, eine Spionin aus einem alten Spiel- film zu sein. Sie kultivierte ihre Rolle, indem sie besonders lange Tren- chcoats trug und stets den Mantelkragen hochschlug. Sie war erst dreiundzwanzig, war aber die fröhlichste und furchtloseste Kriegerin, die er hatte. Und sie war schnell. Atemberaubend schnell.
Es gab keinen Mann im Team, der noch nicht an Becky gedacht und wahrscheinlich von ihr geträumt hatte. Paul hatte es. Aber sie ließ nie- manden an sich heran, und Paul bedrängte sie nicht.
Der Rest der Mannschaft würde in den Staaten zusammenkommen. Pauls oberste Priorität war – war es immer gewesen –, die Vampire in den USA auszulöschen. Asien war als Erstes an die Reihe gekommen, weil sich die Gelegenheit geboten hatte. Nun musste er diese Rei- sende aufhalten, damit sie nicht über den großen Teich gelangte und die Opposition organisierte. Er musste sie hier stellen.
Er widmete sich wieder dem Gespräch mit Sam: »Also, der Punkt ist: Wir haben dieses verdammte Ding verloren, und jetzt rennt es in Paris herum und erzählt seinen verfluchten Freunden, dass jemand hinter ih- nen her ist. Tut mir Leid, Sam, aber das ist deine Schuld.«
»Darf ich auflegen?«
»Nein, darfst du nicht.«
»Ich habe aber etwas Dringendes zu erledigen. Streng geheim.« »Sag mal, musst du immer kacken, wenn du kritisiert wurdest?« »Ja, muss ich.«
Paul ließ den Hörer auf die Gabel sinken.
Becky und Charlie starrten ihn an.
»Was?«
»Na was schon? Was hat er gesagt?«
»Er ist ein Bürokrat. Er hat nichts gesagt.«
Das Dachfenster leckte jetzt an fünf Stellen. Wenn der Abend an-
brach, wurden in dem riesigen Wolkenkratzer auf der anderen Stra- ßenseite die Lichter eingeschaltet. Damit war alle Privatheit, die das Zimmer bieten mochte, dahin. Noch schlimmer war, dass es keine Möglichkeit gab, einen Vorhang vor das Dachfenster zu ziehen. Min- destens zweitausend Büroangestellte konnten gezielt in das Zimmer hinabschauen, das eigentlich ein geheimer CIA-Treffpunkt sein sollte. Paul starrte zu dem Büroturm hoch. »Wir sollten ein paar Tanznum- mern zusammenstellen«, sagte er.
Charlie, der aus irgendeinem Grund übte, mit einer kleinen Drehma- schine Zigaretten zu stopfen, entgegnete: »Wir können ja einen Hut hinhängen. Vielleicht wirft man uns ein paar Münzen rein.«
»Verdammt noch mal, wie sollen wir in dieser Zirkusmanege vernünf- tig arbeiten? Haben eure Zimmer wenigstens ein bisschen Privat- sphäre?«
»Ach was, sie sind viel zu klein, Boss«, antwortete
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