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Whitley Strieber

Whitley Strieber

Titel: Whitley Strieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Kuss des Vampirs
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genden Schultern und offenem Mund auf das Opfer zuzuwanken. Der Klang seiner Schritte ließ es herumfahren. Und dann geschah etwas, dass nur sehr selten passierte: Ein menschliches Wesen erblickte einen völlig unverkleideten Hüter, sah sein wahres Gesicht.
    Der Mann sog zischend die Luft ein. Dann herrschte Stille. Und plötz- lich begann er panisch zu schreien. Aber er blieb wie erstarrt stehen, hypnotisiert wie eine Maus von einer Schlange.
    Tief im Unterbewusstsein, tief in seiner Seele kannte der Mensch die Wahrheit. Denn sein Unterbewusstsein hatte das Abbild dieses Ge- sichts gespeichert, das ihm noch aus der Zeit vertraut war, als die Hü- ter sie in Käfigen gehalten hatten. Sie waren Tiere ohne jeden Ver- stand gewesen. Deshalb hatte sich das sprachlose Entsetzen, das sie empfunden hatten, in ihr kollektives Gedächtnis gegraben und war als roher Instinkt von Generation zu Generation weitergegeben worden.

Schade, dass der frei lebende Mensch so viel besser schmeckte als der in Gefangenschaft gehaltene. Dies hatte unweigerlich dazu ge- führt, dass sie sie erst in Kleingruppen und dann in frei lebenden Her- den gehalten hatten, die ihre eigenen Städte bauen und eine eigene Geschichte haben durften. In der Folgezeit hatten sich die Hüter dar- auf verlegt, in den Städten der Menschen zu wohnen, was in der Tat äußerst bequem gewesen war. Dies wäre es noch immer, wenn sie sich nicht ständig in Gefahr gewähnt hätten.
    Denn dies war völlig unnötig. Miriam hatte in New York City seit der Gründung des Polizeiwesens rund eintausend Menschen erlegt – und sie hatte nie Probleme bekommen. Genau genommen hatte sie, von den jüngsten Ereignissen abgesehen, überhaupt nie irgendwelche Schwierigkeiten gehabt.
    Sicher, es hatte die Geschichte mit Ellen Wunderling gegeben, als Sarah in Panik geraten war und die Frau umgebracht hatte, weil sie zu viel über Miriam wusste. Aber die Ermittlungen waren – selbstredend – im Sande verlaufen.
    In Wahrheit war es nicht schwer, ungestraft Menschen zu töten, wenn man sich nur ein wenig vorsah. Die anderen Hüter hätten nicht so furchtsam zu werden brauchen. Natürlich war Vorsicht angebracht. Doch dieses Verstecken in halb verfallenen Häusern ... sie waren heutzutage nichts weiter als Parasiten. Sie war die Letzte ihrer Art, der letzte wahre Hüter, der letzte Vampir.
    Nun, sie musste ihre Art rehabilitieren, und Martin würde der Erste sein. Sie würde ihn nähren und pflegen, bis er seine alte Kraft wieder- erlangt hatte, und dann würde sie ihm beibringen, wie man in der mo- dernen Welt zurechtkam. Sie würde es all ihren Artgenossen beibrin- gen. Danach würde sie ein wunderschönes Baby gebären – und dies würde der Prinz ihrer Rasse werden und sie zurück zu altem Glanz führen.
    Der Mann wollte erneut fliehen, aber Miriam war schneller. Sie packte ihn von hinten.
    Er schrie laut und versuchte ihr einen Kopfstoß zu verpassen. Er traf sie an der Stirn. Aber der Stoß war belanglos, würde nicht einmal eine Beule hinterlassen.
    Sie verstärkte ihre Umklammerung. Der Mann versuchte ihre Hände von seinem Körper loszureißen. Sie fühlte, wie seine Rippen langsam nachgaben. Seine Befreiungsversuche wurden schwächer, und schließlich entschwand ihm mit einem Zischen der Atem aus dem

Leib.
    Martin riss den Mund auf und stürzte sich auf sein Opfer. Der Mann wand sich, sprang umher, schüttelte vehement den Kopf. Martin geriet ins Straucheln, gewann aber das Gleichgewicht wieder zurück. Miriam presste den letzten Lufthauch aus dem Mann. Martin schlug ihm er- neut die Zähne in den Hals. Die gerade noch wild herumtretenden Beine des Mannes erlahmten. Miriam drückte noch fester zu. Sie roch warmen Urin, hörte ihn auf den Boden tropfen.
    Martin begann zu saugen, und das Körpergewicht des Mannes fing an, sich zu verringern, anfangs nur unmerklich, dann immer spürbarer. Währenddessen wurde Martins dreckstarrendes Gesicht immer rosi- ger. Sie spürte, wie das Leben aus dem Mann herausströmte. Der Kör- per wurde schlaff. Kurz darauf ließ Martin von ihm ab.
    »Da ist noch eine Menge übrig«, sagte sie.
    Er sackte in sich zusammen. »Ich kann nicht mehr.« Er fand einen Stuhl und ließ sich darauf fallen. Wenigstens schlurfte er nicht mehr herum wie ein halb totes Gespenst. Ein erster Fortschritt.
    Das Blut und die übrigen Körperflüssigkeiten mussten verwertet wer- den. Sie durften die Leiche nicht einfach verwesen lassen. Sie trug sie durch die

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