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Whitley Strieber

Whitley Strieber

Titel: Whitley Strieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Kuss des Vampirs
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schönen Frau interessiert waren.
    »O Mademoiselle, ich versuche doch nur, mit Ihnen ins Gespräch zu kommen! Seien Sie nicht so vorschnell. Sie müssen Amerikanerin sein. Sie haben Ihr Französisch in der Schule gelernt. Nun, Sie hatten einen alten Lehrer. Einen sehr alten, würde ich meinen! Aber das kann man Ihnen nicht vorwerfen.«
    Er war untersetzt. Auf seinen Handrücken zeichneten sich die verrä- terischen blauen Linien ab, die darauf hinwiesen, dass die Trink-Venen breit und durchlässig waren. Der Blutfluss in der Halsschlagader würde schön kräftig sein. Köstlich .

Sie warf ihm ein verlegenes Lächeln zu, die Art, die Männern den Atem raubte. Sie hatte es jahrelang einstudiert, und inzwischen be- trachtete sie sich als Künstlerin, wenn es um ein gewinnendes Lächeln ging. Als sie ihre strahlend weißen, jedoch vollständig künstlichen Zahnreihen offenbarte, kam er an ihren Tisch.
    Endlich. Sie gab sich gleichgültig. Wenn sie ihn zu eifrig anlächelte, würde sie ihn vertreiben ... zumindest war es früher so gewesen. »Sie schicken mich nicht wieder fort?«
    Sie zuckte mit den Schultern.
    Mit etwas tieferer Stimme fragte er: »Wird mich dies etwas kosten?« »Ein wenig.« Was bedeutete, dass es ihn das wertvollste kosten würde, das er besaß – seinen Atem, sein Blut, sein Leben.
    »Dann sind Sie also tatsächlich – eine Professionelle, die am hinters- ten Tisch eines Cafés auf Kundenfang geht. Es ist so – ich weiß nicht – so charmant. So wie im guten alten Paris! Und Ihre Sprache und der altmodische Hosenanzug. Sie stammen wirklich aus der Vergangen- heit. Hören Sie, ich möchte nicht die Stimmung verderben, aber ich habe nur ein paar hundert Franc dabei.«
    »Wie traurig für Sie.«
    »Nehmen Sie Kreditkarten?«
    Wie konnte er nur etwas so Unsinniges fragen? Eine Prostituierte, die Kreditkarten nahm – unfassbar. Sie zog an ihrer Zigarette und ließ den Rauch langsam ausströmen.
    »Sie sollten damit aufhören.«
    »Wie bitte, mein Herr?«
    »Ich habe es aufgegeben. Ist schlecht für die Lunge.« Er klopfte sich auf die Brust, atmetete tief ein und ließ langsam und gleichmäßig die Luft aus seinem aufgeblähten Brustkorb ausströmen. »Ich wette, das können Sie nicht.«
    Sie konnte länger als eine Stunde die Luft anhalten. Hüter konnten zwar ertrinken, doch es war ein langsamer Tod. Genau genommen gab es für sie keine schnellen Tode. Jede Faser, jeder Knochen ihres Körpers klammerte sich mit fanatischer Leidenschaft an das Leben. Der Mensch besaß eine unsterbliche Seele, seine Hüter nicht. Der Mensch konnte es sich leisten zu sterben. Hüter mussten, wenn mög- lich, bis in alle Ewigkeit leben.
    Miriam drückte ihre Zigarette aus.
    »Sie haben sehr schöne Hände«, sagte er mit bewunderndem Blick. Sie hielt ihm eine Hand entgegen. Als er einen Kuss darauf hauchte,

sagte jemand am Tresen: »O Gott.«
    »Sei still, du dummer Gorilla!«, rief ihr Opfer dem Mann zu. »Beachten Sie ihn nicht. Er hat die Manieren eines Tieres.«
    Sie ließ die Hand sinken, berührte seine Fingerspitzen mit ihren: das Zeichen ihres Besitzanspruchs. »Gut, mein Herr, ich habe nämlich nicht den ganzen Tag Zeit.«
    »Ihr Französisch wird moderner. Jetzt klingen Sie wie jemand aus dem Jahr 1896.«
    »Ich bewohne ein schönes Zimmer, und für zweihundert Franc dür- fen Sie mich begleiten.«
    Sie schlenderte mit ihm über die Rue de Bobbilo, überquerte den Place d'Italie und führte ihn in die Rue des Gobelins. Es goss in Strö- men, deswegen suchte sie unter seinem Schirm Schutz vor dem Re- gen. Als sie die Straße überquerten, stolperte sie und fiel ihm fast in die Arme. Er sah sie aus dem Augenwinkel stirnrunzelnd an. Es war ein verräterischer Ausrutscher gewesen: Ihm war ihr erstaun- liches Gewicht aufgefallen. Hüter hatten einen äußerst dichten Kno- chenbau und eine entsprechend dichte Muskelmasse. Ihr Skelett war doppelt so schwer wie das des Menschen.
    Manchmal genügte schon der winzigste Fehler, um ein Opfer zu ver- treiben. Wie die meisten Raubtiere hatten Hüter nur bei einem Drittel ihrer Angriffe Erfolg. Der Mythos vom Vampir als ein unaufhaltbares, übernatürliches Geschöpf war genau das – ein Mythos.
    Sie erreichten ein kleines Hotel. Er wollte hineingehen.
    »Nein, nicht hier.«
    »Wo dann? In dieser Gegend gibt es nur das eine Hotel.«
    »Nur noch ein kleines Stück, mein Herr.«
    Seine Schritte wurden langsamer. Sie spürte, dass er sie immer wie- der von der Seite

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