Whitley Strieber
Gleichgültigkeit von Leuten, die so reich waren, dass derartige Dinge sie nicht kümmerten, durch die Passkon- trolle. Die Beamten waren schnell und diskret. »Willkommen daheim, Dr. Roberts und Miss Patton.«
Als sie die Concorde Lounge betraten, brandete diskreter Applaus auf. Miriam verlangsamte ihre Schritte, blieb stehen und hob lächelnd eine Hand. Keiner, der nicht Bescheid wusste, hätte sich auch nur einen Augenblick lang träumen lassen, dass sie etwas anderes war als eine reiche, junge Frau – zwar mit den weisen Augen des Alters, aber dennoch fast jugendlich wirkend.
Sie steuerte auf den Pulk teuer gekleideter Menschen zu.
Die Leute scharten sich um sie, küssten sie auf die Wange, berühr-
ten sie wie Kinder eine Mutter berührten, die sie lange nicht gesehen hatten. In jedem Augenpaar lag dieselbe Faszination, dieselbe Bewun- derung. Sarah beobachtete dies mit der Teilnahmslosigkeit einer Leib- eigenen. Für die meisten von ihnen war Miriam lediglich die schillernde Besitzerin des exklusivsten Nachtclubs in ganz Amerika, eines Clubs, in dem die Mächtigsten der Mächtigen sich ohne Scham oder Zurück- haltung so geben konnten, wie sie wirklich waren, eines Clubs, in dem es keine Verbote gab ... wenn man einmal den Türsteher passiert hatte. Einige dieser Leute kannten aus geflüsterten Andeutungen über Miriams geheimes Doppelleben zumindest einen Teil der Wahrheit. Nur Leonore Patton wusste, was wirklich hinter den Kulissen ge- schah. Leonore wurde von ihnen ausgebildet, wurde langsam an ihre künftigen Aufgaben herangeführt. Sarah wusste, dass Miriam vorhatte, Leo von ihrem Blut zu geben. Nun fragte sich Sarah, ob sie selbst um- gebracht oder nur auf die Straße gesetzt werden würde.
Die Leute um sie herum – einige hatten vertraute Gesichter, andere weniger vertraute – murmelten, wie glücklich sie seien, Miriam wieder- zusehen, während Sarah sich im Stillen Sorgen um ihre Zukunft machte.
Miriam wandte sich zu einem Latino um – einem jungen Mann, in dem sie einen künftigen Rockstar sah – und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Miriam täuschte sich nie, wenn es um künftige Stars ging. Carlos Rivera würde gewiss einer werden. Wie auch Kirsten Miller, die neben ihm stand und Miriam aus intelligenten, mandelförmigen Augen anstrahlte.
Dann war Miriam mit den Leuten fertig und eilte, gefolgt von Sarah, aus der Concorde Lounge. Luis, ihr Fahrer, kam ihnen entgegen und lud die Koffer ein, die ein Flughafenangestellter für sie durch den Zoll gebracht hatte. Das geheime New York hatte auf nichts anderes als auf ihre Rückkehr gewartet. Nun konnte der köstliche Schrecken wei- tergehen. Wen würde sie als nächstes Opfer wählen? Irgendeine ver- gessene Seele, die niemand vermissen würde? Oder jemanden, der es verdiente – jemanden, über den sie mit aller Sorgfalt ihr gerechtes Urteil gefällt hatte? Und wen sollte sie nehmen, falls das Opfer aus der letzteren Kategorie stammte, vielleicht einen protzigen Magnaten, der sich mit einer Lüge ins Veils hineingeschmuggelt hatte? Wem würde auffallen, wenn die betreffende Person plötzlich verschwand? Was war zu bedenken?
»Ich habe ein Aktienpaket verkauft«, sagte Sarah, nachdem Luis sich
in den Verkehr eingefädelt und Miriam sich mit einer Zigarette in die Wagenpolster zurückgelehnt hatte.
»Wie viel?«
»Es war das Paket von BMC Software. Wir haben dreiunddreißig Prozent Gewinn gemacht.«
»Von wie viel?«
»Von sechshunderttausend.«
Miriam starrte rauchend aus dem Fenster. Sarah hatte das billigende Grunzen vernommen, das der Umstand, fast zweihunderttausend Dol- lar verdient zu haben, Miriam entlockt hatte.
Plötzlich nahm sie den großen Hut ab, den sie seit Paris getragen hatte. »Mein Kopf ist heiß«, sagte sie. Sie beugte sich zu Sarah hin- über, die sich sogleich daran machte, ihr die Perücke abzunehmen. Selbst als Sarah sie in der riesigen Badewanne im Crillion gewaschen hatte, hatte Miriam die Perücke nicht abnehmen wollen.
»Luis, bist du bereit für diesen Anblick?«, rief Miriam mit beißender Ironie in der Stimme.
Das seidige, blonde Haar, das im Fahrtwind geflattert hatte wie eine wallende königliche Standarte, war verschwunden. Der Anblick war so verstörend, dass Sarah vor Schreck zusammenzuckte. Miriam lächelte wissend, denn im Vergleich zu dem eigenartig langen Kopf wirkte ihr Gesicht viel zu klein, schien nicht zu ihrer Kopfform zu passen. In Ägypten hatten sie ihre Häupter unter aufwendigem
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