Whitley Strieber
Benachrichtigung, und wir schicken sie der Familie.«
»Okay.«
»Denn ich möchte, dass dir wirklich bewusst ist, was du angerichtet hast.«
Paul sog zischend den Atem ein. Er wollte gegenüber Justin Turk, seinem einzigen Verbündeten in Langley, nicht handgreiflich werden, aber Paul hatte die Tendenz, körperliche Gewalt anzuwenden, wenn er sich bedroht fühlte, und eine solche Beleidigung kam einer ver- dammten Drohung gleich. Er saß hier und musste sich diesen Mist an- hören. »Hey, ich habe nichts angerichtet, ich wurde selbst verwundet«, sagte er. »Wir saßen fürchterlich in der Scheiße, glaub's mir, es war schrecklich.«
»Hättet ihr euch nicht zurückhalten können? Ich meine, warum hast du die Sache nicht von den Franzosen erledigen lassen? Ihr wart schließlich in Frankreich.«
»Das war nicht möglich.« Was sollte er noch groß erklären? Schreib- tischhengste verstanden nie, was bei einer Operation geschah, bisher
nicht und auch in Zukunft nicht.
Justin betrachtete ihn aufmerksam. Paul begriff, dass er ihm absicht- lich diesen Nadelstich zugefügt hatte. Vermutlich hatte Justin ihn ver- letzen wollen, um ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Dies konnte nur eines bedeuten: Dies war weder ein Gespräch noch ein Rapport. Es war ein Verhör, und er steckte in Schwierigkeiten. Die Frage war nur, in welcher Art Schwierigkeiten?
»Nun, Paul?«
»Justin, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Deine Bemerkung gefällt mir nicht. Mir soll wirklich bewusst sein, was ich angerichtet habe– was, zum Henker, soll das heißen?«
»Du hast einen Agenten verloren!«
»Ich kämpfe in einem Krieg!«
»Genau wie Don Quichote. Wir sind uns nicht sicher, was wir von deinem sogenannten Krieg halten sollen.«
»Das Weiße Haus übt Druck auf den Direktor aus, und der leitet ihn an dich weiter, stimmt's?«
Justin antwortete nicht, was die Richtigkeit von Pauls Analyse bestä- tigte.
»Sag ihnen, dass sie nicht alles erfahren müssen. So haben wir es bei der Außerirdischen-Geschichte auch gehalten.«
»Nicht alles erfahren? Paul, wir reden hier vom Weißen Haus!« »Die Frage ist doch, wieso es überhaupt von der Sache erfahren hat?«
»Die Franzosen haben ein Programm. Die Deutschen haben ein Pro- gramm. Alle Welt hat ein Programm. Diese Sache ist längst kein Ge- heimnis mehr. Und das Weiße Haus bekommt allmählich Schiss, denn wenn die Presse davon erfährt, wird der Präsident deine Mordorgien erklären müssen, und er hat keine Ahnung, wie er das tun soll.« »Ich habe nur meine Arbeit getan, genau wie die Franzosen und zweifellos auch alle anderen. Wir waren eben effektiv. Punkt.« »Yeah, die Franzosen haben eine Verlustrate von siebzig Prozent. Du dagegen hast in zwei Jahren nur vier von sieben Leuten verloren. Das mag effektiv sein, aber nicht in der Weise, die uns vorschwebt, Paul.«
»Jeder verliert Personal. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie die Franzosen unzählige Vampire erledigten. Ist doch klar, dass es da- bei zu Verlusten kommt.«
»Wir ziehen es vor, sie als Personen mit andersartigem Blut zu be-
zeichnen. PABs.«
Ihm gefiel nicht, was dies vermutlich zu bedeuten hatte. »Wer hat das entschieden?«
»Der Ausschuss für Menschenrechte.« Er sah in seinen Unterlagen nach. »Ich habe dir dessen Memorandum ausgedruckt.«
»Ich wusste gar nicht, dass wir einen Ausschuss für Menschenrechte haben.«
»Er untersteht der Staatlichen Kommission für Bürgerrechte und hat vor einem Jahr mit der Präsidentendirektive 1482 sein Mandat erhal- ten.«
Mit der Präsidentendirektive 1482 waren den Geheimdienst-Chefs Richtlinien für eine humane Arbeitsweise vorgegeben worden. Da Paul es bei seiner Arbeit nicht mit Menschen zu tun hatte, hatte er ange- nommen, dass diese Richtlinien für ihn nicht relevant wären.
Justin reichte ihm das Memorandum. »Wir wurden angewiesen, auf Grundlage dieser Richtlinien eine Empfehlung für ein künftiges politi- sches Programm zu erarbeiten. Im Augenblick stellen wir für den Di- rektor die Fakten zusammen.«
Paul nahm den Bogen. »Wer hat das geschrieben?«
Justin wich ihm aus. »Lies einfach.«
Wir müssen feststellen, ob diese angeblichen Vampire als Menschen zu betrachten sind. Um darüber zu befinden, müssen folgende Fragen beantwortet werden: Haben sie eine Sprache? Können sie vorauspla- nen? Können sie Gefühle empfinden? Sind sie intelligent genug, um menschliche Aktivitäten verrichten zu können? Wenn diese Fragen, oder zumindest der
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