Whitley Strieber
hinnimmt.«
»Paul, gegen dich wird wegen Befehlsmissachtung ermittelt.« Befehlsmissachtung war ein hässliches Wort. Es bedeutete, dass man die erhaltenen Befehle entweder nicht ausführte oder absichtlich falsch auslegte. Es war ein Wort, das bei Gerichtsverhandlungen fiel. »Das klingt nach einem Strafverfahren.«
»Ich sagte doch, dass du dir einen Anwalt nehmen sollst. Das ist eine ernste Sache, Kumpel. Du könntest wegen jeder PAB, die du um- gebracht hast, eine Mordanklage an den Hals bekommen.«
»Allmächtiger! Justin, hilf mir!«
Justin starrte ihn an, als wäre er ein Zootier.
»Dies kommt direkt aus dem Weißen Haus.«
»Eine Horde College-Studenten ohne jede Lebenserfahrung. Hier geht es darum, dass Menschen umgebracht werden, verdammt noch- mal – Mütter und Söhne, Väter und Töchter.«
Justin hantierte mit seiner Pfeife herum. »Ich bin bloß der Überbrin- ger der Botschaft.«
»Tu mir einen Gefallen und richte unserem Präsidenten etwas aus von mir – von jemandem, der das menschliche Leben zufälligerweise für kostbarer hält als alles andere. Vor zwei Tagen war ich in Paris in einer riesigen unterirdischen Höhle, in der mindestens eine halbe Mil- lion toter Menschen lagen ... eine halbe Million. Jeder von ihnen hat eine tragische Geschichte. Jeder von ihnen hinterließ eine zerbro- chene Familie oder ein gebrochenes Herz oder zumindest jemanden, dem sein Verschwinden nicht gleichgültig war.«
»Die Menschen werden das Recht haben, sich zu verteidigen.« »Gegen etwas, das sich so schnell bewegt, dass man es gar nicht kommen sieht, das viermal so stark und doppelt so schlau ist wie du? Das wird nicht gelingen.«
»Der Staat wird sie schützen.«
»Das geht nur auf eine Weise: Die Vampire zu töten.«
»Paul, ein beschränkter Viehzüchter begeht eine schlimme Umwelt- sünde, wenn er den Coyoten auf seinem Land Fallen stellt oder sie vergiftet. Ein kluger Viehzüchter richtet es so ein, dass seine Herde gar nicht erst in Gefahr gerät. Die Regierung wird wie der kluge Vieh- züchter vorgehen.«
»Aber die Vampire werden sich gegen die Schutzmaßnahmen etwas einfallen lassen!«
»Einige Menschen werden getötet werden. Aber so war es doch im- mer in unserer Geschichte, oder?«
»Lass mich dir eine hypothetische Frage stellen. Angenommen, du wachst mitten in der Nacht auf, und eins dieser Dinger bohrt dir den Hals an. Was tust du?«
»Das wird mir nicht passieren.«
»Nur mal angenommen. Rufst du die Polizei? Komm schon, sei rea- listisch, Mann!«
»Der kluge Viehzüchter hat verschiedene Vorkehrungen getroffen, um die Coyoten von seinem Land fernzuhalten. Wir werden es ge- nauso machen.«
Paul sprang auf. »Ich stecke in Paris mitten in einer Säuberungsak- tion. Ich muss zurück.«
»Wir werden dich mit deinen barbarischen Schlächtereien nicht fort- fahren lassen. Es ist vorbei, Paul, ein für alle Mal vorbei! Kapiert? Au- ßerdem wollen dich ein paar Leute sehen.«
Nahende Gefahr pflegte Paul bereits zu spüren, bevor die meisten Leute überhaupt begriffen, dass sie Anlass zur Sorge hatten. Etwas an Justins Tonfall verriet ihm, dass diese Leute ihm verdammt großen Är- ger machen würden.
Die Vereinigten Staaten besaßen spezielle Gefängnisse für Agenten, die sich bei einer geheimen Operation nicht an ihre Befehle gehalten hatten. Die Rechtsprechung in diesen Einrichtungen war eine eigenar- tige, surreale Version der draußen geltenden Rechtsprechung. Man genoss gewisse Privilegien – jedoch nicht dasjenige, einfach gehen zu dürfen. Administrativ-Gefängnisse, so hießen sie, diese Einrichtungen. Nun, im Augenblick genoss er noch das Privileg, einfach aufstehen und gehen zu dürfen, oder er war wenigstens noch in der Lage dazu. Daher ging er ohne ein weiteres Wort zur Tür, öffnete sie, durchquerte den Vorraum und trat in den Gang hinaus. Zwei Männer kamen auf das Büro zu. Er wandte sich in die andere Richtung.
Hinter ihm hörte er ihre schneller und lauter werdenden Schritte. Ver- dammt, das alles wollte er nicht. Er war Zeit seines Erwachsenenle- bens Mitglied dieser Organisation gewesen. Er hatte in Washington vor der Gedenkmauer gestanden und eine Träne für seine gefallenen Kameraden verdrückt. Er hatte die CIA geliebt, hatte sie immer vertei- digt, war immer absolut loyal gewesen, ganz gleich wie dumm er den jeweiligen Direktor oder eine seiner unsinnigen Anordnungen gefun- den hatte.
Er eilte durch den neuen Ausgang des Gebäudekomplexes und rannte
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