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Wicked - Die Hexen von Oz

Wicked - Die Hexen von Oz

Titel: Wicked - Die Hexen von Oz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Maguire
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ihn gar nicht. Er fragte sich, ob Elphaba zu dieser Gemeinschaft von Klosterschwestern gehörte, Frauen, die sich für das paradoxeste Leben überhaupt entschieden hatten: in einer Gemeinschaft von Einsiedlern. Anscheinend jedoch wurden sie mit einsetzender Alterssenilität von ihrem Schweigegelübde entbunden. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Elphaba sich in fünf Jahren so sehr verändert hatte. Er trat durch den Lieferanteneingang in eine schmale Gasse.
    Drei Minuten vergingen, dann kam Elphaba aus dem Seiteneingang, wie er vermutet hatte. Sie wollte ihm unbedingt aus dem Weg gehen! Warum nur? Das letzte Mal – es war ihm noch gut im Gedächtnis – hatte er sie am Tag von Muhme Schnapps Beerdigung und dem anschließenden Trinkgelage in der Kneipe gesehen. Sie war mit irgendeinem obskuren Anliegen in die Smaragdstadt geflohen und nie mehr zurückgekehrt, während er zu den instruktiven Freuden und Schrecken des Philosophischen Clubs mitgeschleift worden war. Gerüchten zufolge hatte ihr Urgroßvater, Eminenz Thropp, Agenten beauftragt, in Shiz und in der Smaragdstadt nach ihr zu suchen. Von Elphaba selbst kam nie eine Postkarte, nie eine Botschaft, nie ein Lebenszeichen. Nessarose war anfangs untröstlich gewesen und hatte dann einen Groll gegen ihre Schwester gefasst, weil sie ihr diese schmerzhafte Trennung angetan hatte. Nessa hatte sich immer tiefer in der Religion vergraben, so tief, dass ihre Freunde sie schließlich zu meiden begannen.
    Fiyero beschloss, sich morgen bei seinem Geschäftskollegen dafür zu entschuldigen, dass er ihn in der Oper versetzt hatte. Heute Abend wollte er sich Elphaba nicht durch die Lappen gehen lassen. Während sie durch die Straßen eilte und sich dabei hin und wieder misstrauisch umschaute, dachte er: Um jemanden abzuhängen, der dir auf den Fersen ist, ist es genau die richtige Tageszeit – nicht wegen der langen Schatten, sondern wegen des Lichts. Mehrmals wurde er, wenn Elphaba um eine Ecke bog, von den Strahlen der untergehenden Sommersonne geblendet, die durch Nebenstraßen, durch Arkaden, über Gartenmauern fielen.
    Aber er hatte langjährige Übung darin, unter ähnlichen Bedingungen Pirschjagd auf Tiere zu machen – nirgends sonst in Oz war die Sonne einem so sehr feind wie im Tausendjährigen Grasland. Er verstand sich darauf, die Augen zusammenzukneifen und der kontinuierlichen Bewegung zu folgen, statt krampfhaft die Form zu fixieren. Er verstand sich auch darauf, sich zur Seite zu ducken, ohne zu stolpern oder das Gleichgewicht zu verlieren, urplötzlich in die Hocke zu gehen, an anderen Anzeichen zu merken, dass die Beute sich wieder in Bewegung gesetzt hatte – an aufgestörten Vögeln, veränderten Geräuschen, einem unterbrochenen Wind. Sie konnte ihn nicht abschütteln, und sie konnte nicht merken, dass er ihr auf der Spur war.
    So schlich er durch die halbe Stadt, vom eleganten Zentrum zum mietgünstigen Lagerhausbezirk, wo die Ärmsten der Armen in finsteren Hauseingängen ihre übelriechenden Notlager aufschlugen. Einen Steinwurf von einer Militärkaserne entfernt blieb Elphaba vor einem verbretterten Getreidespeicher stehen, wühlte aus einer Innentasche einen Schlüssel und schloss die Tür auf.
    Er rief aus kurzer Entfernung im normalen Ton: »Fabala!« Schon im Akt des Umdrehens fing sie sich und versuchte, ihre Miene zu kontrollieren. Doch es war zu spät. Sie hatte gezeigt, dass sie ihn erkannte, und sie sah es ein. Sein Fuß hinderte sie daran, ihm die schwere Tür vor der Nase zuzuschlagen.
    Â»Bist du in Schwierigkeiten?«, fragte er.
    Â»Lass mich in Ruhe!«, erwiderte sie. »Bitte!«
    Â»Du bist in Schwierigkeiten. Lass mich rein!«
    Â» Du bist die Schwierigkeit. Bleib draußen!« Echt Elphaba. Seine letzten Zweifel verflogen. Er stemmte die Tür mit der Schulter auf.  
    Â»Du machst mich zum Monster«, sagte er, vor Anstrengung ächzend – sie war stark. »Ich will dich doch nicht berauben oder vergewaltigen. Ich will mich nur nicht so … abfällig behandeln lassen. Warum tust du das?«
    Sie gab endlich auf, und er stolperte gegen die unverputzte Backsteinmauer des Hausflurs wie der Tollpatsch in einer Varieténummer. »Ich habe dich als feinfühlend und rücksichtsvoll in Erinnerung«, sagte sie. »Bist du irgendwo in schlechte Gesellschaft geraten, oder

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