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Wicked - Die Hexen von Oz

Wicked - Die Hexen von Oz

Titel: Wicked - Die Hexen von Oz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Maguire
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Legende erinnern, auch nicht an die erbauliche Art, wie sie für ihr Seelenheil und das ihrer Bewunderer den Tod auf sich genommen hatte.
    Doch dann bemerkte er, dass in dem Raum mit dem unterwasserartigen Zwielicht eine Frau saß und betete. Ihr Kopf war gebeugt, und er wollte sich schon zurückziehen, als ihm aufging, dass er sie kannte.
    Â»Elphaba!«, sagte er.
    Sie wandte langsam den Kopf. Ein Spitzentuch fiel ihr auf die Schultern. Ihre Haare waren zum Dutt eingedreht und mit spiraligen Elfenbeinnadeln aufgesteckt. Sie blinzelte ein-, zweimal langsam, als ob sie aus großer Ferne in den Raum zurückkehrte. Er hatte sie im Gebet unterbrochen – sie war ihm gar nicht als fromm in Erinnerung –, vielleicht erkannte sie ihn deshalb nicht gleich.
    Â»Elphaba, ich bin’s, Fiyero«, sagte er und trat in den Türbogen. Damit versperrte er den Ausgang, aber auch das Licht, und plötzlich konnte er ihr Gesicht nicht mehr erkennen und war verwirrt, als er sie sagen hörte: »Ich kenne Sie nicht, mein Herr.«
    Â»Elphie, ich bin Fiyero. Wir waren zusammen in Shiz«, sagte er. »Liebe Elphie – wie geht es dir?«
    Â»Ich glaube, Sie verwechseln mich mit jemandem«, sagte sie mit Elphabas Stimme.
    Â»Elphaba, die Thropp dritten Gliedes, wenn ich den Titel recht erinnere«, sagte er mit einem herzhaften Lachen. »Ich verwechsele dich keineswegs. Ich bin der Arjiki Fiyero – du kennst mich, du musst dich an mich erinnern! Aus Doktor Nikidiks Vorlesungen in Biowissenschaft.«
    Â»Sie irren sich«, sagte sie, »mein Herr.« Die beiden letzten Worte klangen ein wenig unwirsch, ganz und gar nach Elphaba. »Wenn ich jetzt vielleicht wieder in Frieden meiner Andacht nachgehen könnte?« Sie zog sich das Tuch weit über den Kopf, so dass es die Schläfen bedeckte. Mit dem im Profil hervorschauenden Kinn hätte man eine Salami schneiden können, und selbst in dem schlechten Licht wusste er, dass er sich nicht irrte.
    Â»Was soll das?«, sagte er. »Komm schon, Elphie, du kannst mich nicht so abblitzen lassen. Natürlich bist du es. Dich kann man gar nicht verkennen. Was treibst du für ein Spiel?«
    Sie antwortete nicht, sondern befingerte demonstrativ ihren Gebetskranz und gab ihm damit zu verstehen, dass er verschwinden sollte.
    Â»Ich gehe nicht«, sagte er.
    Â»Sie stören meine Andacht, mein Herr«, sagte sie leise. »Muss ich erst den Küster rufen und Sie entfernen lassen?«
    Â»Ich treffe dich draußen«, sagte er. »Wie lange brauchst du zum Beten? Eine halbe Stunde? Eine Stunde? Ich warte solange.«
    Â»In einer Stunde dann. Gegenüber ist ein kleiner Brunnen mit ein paar Bänken. Ich werde fünf Minuten mit Ihnen reden, nur fünf Minuten, und Ihnen beweisen, dass Sie mich verwechseln. Das ist zwar nicht schlimm, wird mir aber langsam lästig.«
    Â»Entschuldige die Belästigung. In einer Stunde dann – Elphaba.« Er würde sich nicht so abfertigen lassen, was auch immer dahintersteckte. Doch er zog sich zurück und sprach noch einmal die Musikerin hinten im Mittelschiff an. »Gibt es hier noch einen anderen Ausgang außer dem Hauptportal?«, fragte er, während sie Arpeggiaturen übte. Als es ihr passte, ihm zu antworten, deutete sie mit Kopf und Augen in die Richtung. »Die Seitentür zum Kloster der Nonnen. Kein öffentlicher Zugang, aber Sie kommen da auf eine kleine Lieferantengasse.«
    Er setzte sich in den Schatten einer Säule. Nach etwa vierzig Minuten betrat eine verhüllte Gestalt die Kirche und humpelte an einem Stock direkt in die Kapelle, in der Elphaba saß. Er war zu weit entfernt, um zu hören, ob Worte gewechselt wurden – oder sonst etwas. (Vielleicht war der neue Besucher ja bloß ein Verehrer der heiligen Glinda, der im Stillen beten wollte.) Der Mann hielt sich nicht lange auf; er ging so rasch wieder, wie seine steifen Gelenke es zuließen.
    Fiyero steckte etwas Geld in die Almosenbüchse – einen Schein, um das Münzenklimpern zu vermeiden. In einem derart von Armen bevölkerten Stadtviertel verlangte seine vergleichsweise wohlhabende Stellung eine milde Gabe, auch wenn ihn eher Schuldgefühle als Mildtätigkeit motivierten. Dann schlüpfte er durch die Seitentür hinaus in den überwucherten Klostergarten. Ein paar alte Frauen in Rollstühlen gackerten am anderen Ende und beachteten

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