Wicked - Die Hexen von Oz
dich hier an meine Seite.«
Sie bestellten Tee, und Glinda fing langsam an, sich zu beruhigen.
»Wirklich, wer hätte das gedacht?«, sagte sie, wobei sie ungefähr achtmal hintereinander einen Keks aufhob und wieder hinlegte. »Wir waren im Grunde die absolute Oberschicht in Shiz. Ãberhaupt, Fiyero, du bist ein Fürst, nicht wahr? Müssen wir jetzt Euer Hoheit zu dir sagen? Das könnte ich nie. Und du bist immer noch mit diesem kleinen Kind verheiratet?«
»Sie ist inzwischen erwachsen, und wir haben eine Familie«, erzählte Fiyero ihr zögernd. »Drei Kinder.«
»Und sie ist hier. Ich muss sie kennenlernen.«
»Nein, sie ist zu Hause in unserem Wintersitz in den GroÃen Kallen.«
»Dann hast du eine Affäre«, sagte Glinda. »Du siehst so glücklich aus. Kenne ich sie?«
»Ich bin einfach glücklich, dich zu sehen«, sagte er, und das stimmte sogar. Sie sah überwältigend aus. Ein wenig runder war sie geworden. Die ätherische Schönheit war aufgeblüht, aber nicht derb geworden. Aus dem überspannten Mädchen war eine Frau von Welt geworden. Ihre Frisur war jungenhaft kurz, was ihr sehr gut stand, und in ihren Locken steckte eine Art Diadem. »Und du bist jetzt eine Zauberin.«
»Ach, damit ist es nicht weit her«, sagte sie. »Ich kann ja nicht einmal die verdammte Serviererin dazu bringen, sich ein bisschen mit dem Gebäck und der Marmelade zu beeilen. Gut, ich kann hundert Lurlinalienkarten auf einen Schlag unterschreiben. Aber das ist ein sehr geringes Talent, das sage ich dir. Die Zauberei wird in der Ãffentlichkeit maÃlos überschätzt. Sonst könnte der Zauberer seine Gegner einfach zum Teufel hexen, nicht wahr? Nein, ich gebe mich damit zufrieden, meinem Caspar eine gute Ehefrau zu sein. Er ist heute an der Börse und macht irgendwelche Finanzgeschäfte. Ach, weiÃt du, wer noch in der Stadt ist? Wahnsinn! Krapp, erzählâs ihm!«
Vor Ãberraschung, zum Reden aufgefordert zu werden, verschluckte Krapp sich an seinem Tee. Prompt kam ihm Glinda zuvor. »Nessarose! Ist das zu glauben! Sie hält sich im Haus der Familie in der Unteren Mennipin-StraÃe auf â eine Adresse, die in den letzten zehn Jahren ziemlich groà rausgekommen ist. Wir haben sie ⦠Wo haben wir sie noch mal gesehen, Krapp? Ja, im Kaffeehaus â«
»Es war im Eisgarten â«
»Nein, jetzt weià ichâs, es war im Varieté! Fiyero, stell dir vor, wir haben eine Vorstellung der alten Irrsel besucht, kannst du dich noch an sie erinnern? Nein, kannst du nicht, ich sehe es deinem Gesicht an. Das war die Sängerin, die an dem Tag, als unser glorreicher Zauberer in einem Ballon vom Himmel herabkam und den Putsch inszenierte, beim Ozer Gesangs- und Gefühlsfest auftrat. Sie macht gerade eine ihrer zahllosen Comeback-Tourneen. Sie ist mittlerweile ein bisschen out, aber was tutâs, wir haben uns prächtig amüsiert. Und an einem besseren Tisch, als wir hatten, muss ich zugeben, saà dort Nessie! Sie war mit ihrem GroÃvater da â oder ist es der UrgroÃvater? Eminenz Thropp? Er muss ja inzwischen hundertwasweiÃich Jahre alt sein. Ich war überrascht, sie dort zu sehen, bis mir klarwurde, dass sie nur mitging, damit er eine Begleitung hatte. Sie war von der Musik nicht sehr angetan, den ganzen Entreakt über hat sie stirnrunzelnd gebetet. Und das Ãmmchen war auch da. Wer hätte das damals gedacht, Fiyero: du ein Fürst, und Nessarose praktisch schon zur nächsten Eminenz Thropp gekürt, und Avaric natürlich der Markgraf von Zehnwiesen, und meine Wenigkeit verheiratet mit Caspar von Paltos, dem Besitzer des nutzlosesten Titels und des gröÃten Aktienportfolios im ganzen Perther Bergland?« Glinda hätte beinahe eine Verschnaufpause eingelegt, doch dann sprudelte sie munter weiter: »Und Krapp natürlich, der gute Krapp. Krapp, erzähl Fiyero alles über dich, er brennt vor Neugier, das sehe ich ihm an.«
Fiyero war tatsächlich interessiert, und sei es nur, um sich von dem Stakkatogeschnatter zu erholen.
»Er ist schüchtern«, schwadronierte Glinda fort, »schüchtern, schüchtern, schüchtern, heute wie damals.« Fiyero und Krapp wechselten einen Blick und versuchten zu verhindern, dass ihre Mundwinkel zuckten. »Er hat diesen schrecklich avantgardistischen Palast von einer Wohnung oben im
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