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Wicked - Die Hexen von Oz

Wicked - Die Hexen von Oz

Titel: Wicked - Die Hexen von Oz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Maguire
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kommt er?«
    Â»Ich weiß es«, sagte Fünf, die früher einmal eine religiöse Phase durchlaufen hatte, als ihr klarwurde, dass die Heiratsaussichten schwanden. »Ich hatte einmal einen Heiligenkalender. St. Aelphabavom Wasserfall – sie war eine munchkinsche Mystikerin vor sechs- oder siebenhundert Jahren. Kennt ihr die Geschichte nicht? Sie wollte nur beten, doch sie war von einer solchen Schönheit, dass die Männer nicht aufhörten, ihr Anträge zu machen.«
    Sie seufzten alle.
    Â»Um ihr frommes Leben führen zu können, ging sie mit ihren heiligen Schriften und einer einzigen Traube Weinbeeren in die Wildnis. Wilde Tiere bedrohten sie, und wilde Männer stellten ihr nach, und sie war in arger Bedrängnis. Da kam sie an einen großen Wasserfall, der eine Steilwand hinunterrauschte. ›Das ist meine Höhle‹, sagte sie, legte alle Kleider ab und schritt geradewegs durch die niederdonnernde Wasserwand. Dahinter befand sich eine vom Wasser ausgewaschene Höhle. Dort setzte sie sich hin, und in dem spärlich durchdringenden Licht las sie ihr heiliges Buch und sann über geistliche Dinge nach. Hin und wieder aß sie eine Weinbeere. Als sie die Beeren schließlich aufgegessen hatte, kam sie wieder aus der Höhle hervor. Jahrhunderte waren vergangen. Am Ufer des Flusses war ein Dorf entstanden, und sogar ein Mühlwehr war in der Nähe. Die Leute wichen entsetzt vor ihr zurück, denn als Kinder hatten sie alle in der Höhle hinter dem Wasserfall gespielt, Verliebte hatten sich dort zum Stelldichein getroffen, Morde und Missetaten waren dort verübt worden, Schätze waren dort vergraben worden, und nie hatte irgendjemand St. Aelphaba in ihrer nackten Schönheit erblickt. Aber die Heilige musste nur den Mund aufmachen und sie in der alten Sprache anreden, und schon wussten alle, dass sie es sein musste, und sie bauten ihr zu Ehren eine Kapelle. Sie segnete die Kinder und die Alten, sie nahm den mitten im Leben Stehenden die Beichte ab, und sie heilte Kranke und speiste Hungernde, und dann verschwand sie mit einer neuen Weintraube wieder hinter dem Wasserfall. Die war diesmal noch größer. Und seitdem hat niemand sie je wieder zu Gesicht bekommen.«
    Â»Es kann also doch sein, dass jemand verschwindet und nicht tot ist«, sagte Sarima und sah ein wenig verträumt zum Fenster hinaus in den Regen.
    Â»Wenn man eine Heilige ist«, betonte Zwei.
    Â»Wenn man dran glauben will«, sagte Elphaba, die gegen Ende der Geschichte in den Salon getreten war. »Die wiederaufgetauchte St. Aelphaba könnte genauso gut ein leichtlebiges Mädchen aus der Stadt gewesen sein, die den leichtgläubigen Bauern einmal einen ordentlichen Streich spielen wollte.«
    Â»Wenn du nur jede Hoffnung zunichte machen kannst mit deiner ewigen Zweifelsucht«, sagte Sarima und winkte ab. »Wirklich, Tante, du machst mich manchmal völlig fertig.«
    Â»Ich fände es schön, dich Elphaba zu nennen«, sagte Sechs, »weil es so eine schöne Geschichte ist. Und es ist nett, deinen richtigen Namen von Ämmchens Lippen zu hören.«
    Â»Untersteh dich!«, sagte Elphaba. »Wenn Ämmchen nicht anders kann, sei’s drum, sie ist alt und kann sich nicht mehr umstellen. Aber ihr nicht.«
    Sechs schob die Lippen vor, als wollte sie widersprechen, doch da erscholl von unten lautes Schrittegetrappel, und Nor und Irji platzten ins Zimmer.
    Â»Wir haben Liir gefunden!«, riefen sie. »Kommt mit, wir glauben, er ist tot! Er ist in den Fischbrunnen gefallen.«
    Sie eilten alle die Treppe hinunter in den Keller. Gefunden hatte ihn Plapperaff. Der Schneeaffe hatte die Nase gerümpft, als er mit den Jungen am Fischbrunnen vorbeigekommen war, und er hatte gekeckert und gewinselt und an dem schweren Deckel gezerrt. Nor und Irji waren auf die Idee gekommen, ihn im Eimer hinunterzulassen, aber als sie den Deckel zur Seite schoben, hatte der fahle Lichtschein auf bleichem menschlichen Fleisch ihnen einen furchtbaren Schreck eingejagt.
    Manek kam angerannt, als er die Ausrufe seiner Mutter und der anderen am Brunnen hörte. Sie zogen Liir nach oben. Durch das andauernde Tauwetter und den vielen Regen war das Wasser gestiegen. Liir war aufgedunsen wie eine Wasserleiche. »Ach, da hat er also gesteckt«, sagte Manek mit einer merkwürdigen Stimme. »Stimmt, er hat mal gesagt, dass er in den Fischbrunnen hinunter

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