Wicked - Die Hexen von Oz
ein kleines Zimmer direkt unter dem von Elphaba und brauchte nach Art alter Leute endlos lange für ihre Toilette. Als sie sich endlich für gesellschaftsfähig hielt, wurde das Essen serviert. Ein angegangen schmeckendes altes Huhn, mehr Sehnen als Fleisch, lag in einer dünnen PfeffersoÃe auf einer der guten Platten. Die Kinder waren festtäglich gekleidet und durften dieses eine Mal im Saal mitessen. Ãmmchen kam an Elphabas Arm und lieà sich zu ihrer Rechten nieder. Weil dieser Besuch der Tante galt, hatten dieSchwestern ihren Serviettenring freundlicherweise an das untere Ende der Tafel gelegt, gegenüber von Sarima, obwohl es Brauch war, diesen Platz zu Ehren des armen toten Fiyero freizulassen. Das war ein groÃer Fehler, und sie erkannten es beinahe augenblicklich, denn Elphaba gab diesen Ehrenplatz fürderhin nicht mehr auf. Aber erst einmal überboten sich alle mit warmem Lächeln und herzlicher Gastlichkeit. Das einzige kleine Ãrgernis (abgesehen davon, dass Ãmmchen nicht als junger Fürstensohn auf Brautschau gelten konnte) war, dass Liir weiterhin sein bockiges Versteckspiel trieb. Die Kinder wussten nicht, wo er sich aufhielt.
Ãmmchen war eine müde, versponnene alte Frau, die Haut so rissig wie ausgedörrte Seife, die Haare dünn und gelblich weiÃ, die Adern an den Händen vorstehend wie die Schnüre um einen arjikischen Ziegenkäse. Mit japsender Stimme und vielen Pausen zum Atemholen und Ãberlegen berichtete sie, sie habe in der Smaragdstadt über jemanden namens Krapp erfahren, dass ihre einstige Schutzbefohlene Elphaba im Kloster der heiligen Glinda vor den Toren der Stadt einen gewissen Timmel in seinen letzten Tagen gepflegt hatte. Seit langen Jahren hatte niemand aus der Familie mehr etwas von Elphaba gehört, und irgendwann hatte Ãmmchen beschlossen, sich auf die Suche nach ihr zu machen. Die Nonnen wollten zuerst nichts preisgeben, aber Ãmmchen war hartnäckig geblieben, und dann hatte sie gewartet, bis eine Karawane zum Aufbruch rüstete. Die Nonnen hatten ihr von Elphabas Anliegen in Kiamo Ko erzählt, und Ãmmchen hatte für das Frühjahr einen Wagenplatz gebucht. Und jetzt war sie hier.
»Und was ist in der Welt so los?«, erkundigte sich Zwei neugierig vor allen anderen.
»Was soll da los sein?«, sagte Ãmmchen.
»Politik, Wissenschaft, Mode, Kunst, die neuesten Entwicklungen!«, sagte Zwei.
»Nun ja, unser groÃmächtiger Zauberer hat sich selbst zum Kaiser gekrönt«, sagte Ãmmchen. »Wusstet ihr das nicht?«
Woher sollten sie? »Wer hat ihn dazu ermächtig?«, fragte Fünf missbilligend. »Und auÃerdem: Kaiser wovon?«
»Es gibt niemand Höheren, der ihn dazu ermächtigen könnte, war seine Begründung«, antwortete Ãmmchen gelassen. »Wer könnte dem widersprechen? Wenn jemand Titel verleiht, dann er. Er hat sich einfach einen weiteren an die eigene Brust geheftet. Aber wovon er Kaiser ist, kann ich nicht sagen. Einige Leute flüstern etwas von expansionistischen Bestrebungen. Aber wohin er expandieren könnte? â keine Ahnung, wirklich nicht. In die Wüste? In die Nachbarländer, nach Quox oder Ix oder Fliaan?«
»Oder will er vielleicht Gebiete, die ihm bis jetzt nur lose unterstehen, mit härterer Hand regieren?«, fragte Elphaba. »Den Winkus zum Beispiel?« Ein Schmerz durchzuckte sie wie von einer alten Wunde tief in der Brust.
»Niemand ist besonders glücklich darüber«, sagte Ãmmchen. »Es finden Zwangsaushebungen statt, und die Sturmtruppe wird bald stärker sein als die Königliche Armee. Man weià nicht, ob es einen internen Machtkampf geben könnte, und der Zauberer rüstet sich gegen einen möglichen Putschversuch. Wie sollen wir in solchen Dingen Partei ergreifen? Alte Frauen, die wir sind?« Mit einem Lächeln in die Runde bezog sie alle ein. Die Schwestern und Sarima erwiderten den Blick so jugendlich funkelnd wie möglich.
10
Der nächste Tag brach praktisch gar nicht an, sondern verhängte sich mit Regen und einer düsteren Wolkendecke.
Während sie im Salon darauf warteten, dass Ãmmchen sich zeigte und ihrer Unterhaltungspflicht nachkam, besprachen die Schwestern und Sarima untereinander, was sie Neues über die bei ihnen gastierende Tante erfahren hatten. »Elphaba«, sinnierte Zwei. »Eigentlich ein ganz hübscher Name. Woher
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