Wicked - Die Hexen von Oz
er sich als Agitator für die Abspaltung Munchkinlands von Oz. Nach Ãmmchens parteiischer Meinung war er zu einem schmucken Burschen herangewachsen: kräftige GliedmaÃen, helle Haut, offene Art, kühner Mut. Er war jetzt Anfang zwanzig.
»Und was hält Nessarose von einer Abspaltung?«, hatte Elphaba gefragt. »Ihre Ansicht dazu ist wichtig, wenn sie jetzt die Eminenz Thropp ist.«
Ãmmchen berichtete, dass Nessarose viel klüger geworden war, als irgendjemand erwartet hatte. Sie lieà sich nicht in die Karten gucken und tat vage ÃuÃerungen über die revolutionäre Sache, die je nach der Zuhörerschaft so oder so aufgefasst werden konnten. Ãmmchen vermutete, dass Nessarose ihre eigene restriktive Auslegung des Unionismus gesetzlich festschreiben und eine Art Theokratie errichten wollte. »Selbst dein frommer Vater Frex weià nicht, ob das gut oderschlecht wäre, und schweigt sich über das Thema aus. Mit Politik hat er nichts im Sinn, er bevorzugt die mystischen Sphären.« Nessaroses Pläne, erläuterte Ãmmchen, fanden unter den Einheimischen sogar eine gewisse Unterstützung. Doch da sie sich mit ihren Bemerkungen im Zaum hielt, konnten die Streitkräfte des Zauberers, die in der Gegend stationiert waren, keinen Vorwand für eine Verhaftung finden. »Darauf versteht sie sich blendend«, erklärte Ãmmchen. »Shiz war eine gute Schule für sie. Sie steht jetzt auf ihren eigenen Beinen.«
Bei dem Wort âºShizâ¹ war Elphaba ein Schauder über den Rücken gelaufen. Wirkte der Bann, mit dem Madame Akaber sie vor vielen Jahren im Grattler-Kolleg belegt hatte, bei Nessarose heute noch? War sie in Wirklichkeit eine Marionette, eine Adeptin des Zauberers oder von Madame Akaber? Wusste sie, warum sie so handelte, wie sie handelte? Andererseits, war Elphaba selbst nicht nur eine Figur im Spiel einer höheren bösen Macht?
Die Erinnerung an die Vorschläge, die Madame Akaber für ihre, Nessaroses und Glindas Zukunft gemacht hatte, war Elphaba nach Liirs Rettung im Winter schlagartig wiedergekehrt. Als man ihn schlieÃlich danach befragen konnte, wie er in den Fischbrunnen gekommen war, wusste er nur zu sagen: »Der Fisch hat mit mir geredet. Er hat gesagt, ich soll runterkommen.« Elphaba wusste im Herzen, dass Manek, der scheuÃliche böse Manek, den Jungen den ganzen Winter über unbarmherzig und unverhohlen gepeinigt hatte. Es machte ihr nichts aus, dass Manek tot war, selbst wenn er Fiyeros Sohn gewesen war. Jeder Peiniger hatte einen speerspitzen Eiszapfen verdient. Aber an Liirs nächsten Worten hatte sie zu schlucken gehabt. Er sagte: »Der Fisch hat mir erzählt, dass er magisch ist. Er hat gesagt, dass Fiyero mein Vater war und dass Irji, Manek und Nor meine Geschwister sind.«
»Goldfische reden nicht, Herzchen«, hatte Sarima gesagt. »Das bildest du dir ein. Du warst zu lange dort unten, und das Wasser hat dein Gehirn aufgeweicht.«
Elphaba hatte sich auf einmal zu Liir hingezogen gefühlt â ein unbekannter, schmerzlicher Zwang. Wer war dieser Junge in ihremLeben? Gut, sie wusste mehr oder weniger, woher er kam, aber wer er war  ⦠Zum ersten Mal im Leben schien das von Bedeutung zu sein. Sie hatte ihm behutsam die Hand auf die Schulter gelegt. Er hatte sie abgeschüttelt; er war solche Gesten nicht gewohnt. Und sie hatte sich abgewiesen gefühlt.
»Willst du mal meine zahme Maus sehen, Liir?«, hatte Nor gefragt, die den Jungen während seiner Genesung freundlich behandelt hatte. Es war Liir immer lieber, mit Altersgenossen zusammen zu sein, als sich von Erwachsenen befragen zu lassen, und es war unmöglich gewesen, weitere Auskünfte über sein Martyrium aus ihm herauszuholen. Er wirkte nicht sehr verändert, abgesehen davon, dass er seit Maneks Tod mit gröÃerer Freiheit durch Kiamo Ko flitzte.
Und Sarima hatte Elphaba angeschaut, und Elphaba hatte gedacht, die Stunde ihrer Befreiung sei endlich gekommen. »Wie absurd! Der Junge hat Wahnvorstellungen«, hatte Sarima schlieÃlich gesagt. »Die Vorstellung, Fiyero könnte sein Vater sein! Fiyero hatte nicht ein Gramm Fett am Leib, und nun schau dir den Jungen an.«
Nach den Bedingungen, an die sie sich als Gast zu halten hatte, konnte Elphaba nicht in Sarima dringen, ihre Meinung zu ändern, aber sie hatte ihre Gastgeberin angestarrt und gehofft, diese würde endlich die
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