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Wicked - Die Hexen von Oz

Wicked - Die Hexen von Oz

Titel: Wicked - Die Hexen von Oz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Maguire
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Schaden anzurichten, aber wenig Strategisches.
    Im Grimorium stand, wie man die Ränder von Pokalen vergiftete, Treppenstufen zum Aufwölben brachte, den Schoßhund eines Monarchen aufhetzte, den eigenen Herrn totzubeißen. Es wurde beschrieben, wie man nachts durch eine günstige Körperöffnung eine teuflische Erfindung einführte, nämlich einen klavierdrahtähnlichen Faden, halb Bandwurm und halb brennende Zündschnur, der einenausgesucht qualvollen Tod bereitete. Dies alles waren in Elphabas Augen nur Jahrmarktskunststücke. Interessanter erschien ihr eine kleine Zeichnung, die sie neben einem Abschnitt mit der Überschrift »Verkörperungen des Bösen« erblickte. Die kunstvolle Zeichnung – aus einer anderen Welt, wenn man der einfältigen Sarima glauben wollte – stellte eine breitköpfige Dämonin dar. In einer winkligen, verästelten Schrift mit eleganten Serifen standen um den Rand der Abbildung herum die Worte: FAUCHENDE SCHAKEL. Elphaba sah noch einmal hin. Es war ein Mischwesen aus Frau und Graslandschakal, das Maul aufgerissen, die handartige Vorderpfote erhoben, um ein Spinnennetz zu zerreißen. Und die Kreatur erinnerte sie an die alte Mutter Schackel aus dem Nonnenkloster.
    Verschwörungstheorien, hatte Sarima gesagt, schienen bei ihr eine Manie zu sein. Sie blätterte weiter.
    Im ganzen Grimorium nichts darüber, wie man einen Tyrannen stürzte – nichts Brauchbares. Heerscharen heiliger Engel hatten ihr nichts mitzuteilen. Keine Erklärung, warum Männer und Frauen so schrecklich werden konnten. Oder so wunderbar – falls das heute noch vorkam.
    2
    Wenn sie ehrlich waren, empfanden alle Angehörigen Maneks Tod als eine furchtbare Katastrophe. Unausgesprochen bestand der Eindruck, dass Liir in gewisser Weise auf Maneks Kosten gerettet worden war. Die Schwestern hatten einen kaum zu überbietenden Verlust erlitten: Ihrem Leben war der erwachsene Manek genommen worden. Die ganzen Jahre über hatten sie ihr trauriges Los nur deswegen tragen können, weil Manek eines Tages ein Mann wie Fiyero sein würde, mindestens wie Fiyero. Rückblickend erkannten sie, wie sehr sie darauf gehofft hatten, dass der gesunkene Stern von Kiamo Ko unter Manek wieder aufsteigen würde.
    Der saft- und kraftlose Irji hatte nicht mehr Sendungsbewusstsein als ein Präriehund. Und Nor war ein Mädchen und noch flatterhafterund verträumter als die meisten. So kam es, dass sich Sarima, trotz aller demonstrativen Bejahung des Lebens (seiner Freuden, seiner Leiden, seiner Mysterien, wie sie gern näher erläuterte), immer mehr zurückzog. Nahen Umgang hatte sie mit ihren Schwestern schon vorher nicht gepflegt, jetzt aber begann sie, auch ihre Mahlzeiten allein im Solar einzunehmen.
    Irji und Nor, die sich gelegentlich gegen Maneks willensstarke Gemeinheit zusammengeschlossen hatten, fühlten sich jetzt weniger eng verbunden. Irji fing an, in der alten unionistischen Kapelle herumzugeistern und sich in der Lektüre stockfleckiger Gesangbücher und Breviere zu üben. Nor mochte die Kapelle nicht. Sie glaubte, dass Maneks Geist darin umging, weil sie ihn dort im aufgeschlagenen Leichentuch zum letzten Mal gesehen hatte, und so versuchte sie lieber, sich bei der Tante Hexe einzuschmeicheln, doch ohne Erfolg. »Du willst bloß mit Plapperaff Schabernack treiben«, fuhr die Hexe sie an, »und ich habe zu tun. Geh jemand andereren belästigen!« Sie tat so, als wollte sie Nor treten, und wimmernd und kreischend, als ob sie getroffen worden wäre, suchte diese schleunigst das Weite.
    Jetzt, wo es Sommer wurde, gewöhnte Nor sich an, Streifzüge zu machen – ein Stück weit in das vom Fluss durchschnittene tiefe Tal hinunter und zur anderen Seite wieder hinauf, wo die Schafe das beste Gras des Jahres knabberten. In den Jahren davor war sie entweder mit ihren Brüdern losgezogen, oder es war ihr verboten worden, allein herumzuklettern. In diesem Jahr dachte niemand daran, es ihr zu verbieten. Ein Verbot hätte ihr nichts ausgemacht, nicht einmal Schläge hätten ihr etwas ausgemacht. Sie war einsam.
    Eines Tages stieg sie besonders weit ins Tal hinunter und weidete sich an der Kraft und Ausdauer ihrer strammen Beine. Sie war erst zehn, aber körperlich gut in Form. Sie hatte sich ihren grünen Rock in den Gürtel gesteckt, und weil die Sonne hoch stand und brannte, hatte sie ihre

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