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Wicked - Die Hexen von Oz

Wicked - Die Hexen von Oz

Titel: Wicked - Die Hexen von Oz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Maguire
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er in ihrer Erziehung alles falsch gemacht hatte. Aber er war froh, dass sie endlich da war.
    Elphaba gelangte in die Familienkapelle am Ende eines Saals mit blank poliertem Mahagoniboden. Sie war barock, nicht antik, und wurde gerade renoviert. Nessarose musste angeordnet haben, die Fresken zu übertünchen; vielleicht lenkten die üppigen Darstellungen die Menschen von der vorgeschriebenen Andacht ab. Elphaba setzte sich auf eine Seitenbank, zwischen Eimer mit Kalkfarbe, Pinsel und Leitern. Sie gab sich nicht den Anschein zu beten, doch ihr war dabei sehr unwohl zumute. Um sich zu konzentrieren, richtete sie den Blick auf eine große Fläche, auf der noch Bilder prangten. Dargestellt waren mehrere rundliche Engel, die mittels großer Flügel in der Luft schwebten. Der Schnitt ihrer Gewänder, erkannte Elphaba, war den regelwidrigen Körperformen angepasst. Es handelte sich um recht stattlicheDamen, und doch verrieten die Flügel keinerlei Anstrengung. Der Künstler hatte die für das Gewicht der Damen optimale Flügellänge und -breite berechnet. Das Verhältnis zwischen Flügel- und Armlänge schien ungefähr drei zu eins zu sein. Wenn man mit Flügeln ins Andere Land entschweben konnte, warum dann nicht auch auf einem Besen?, fragte sie sich.
    Ich sollte mich an meine Lektionen von damals aus der Biowissenschaft erinnern, dachte sie. Die ganzen einengenden Grenzen der Erkenntnis, die Doktor Dillamond im Begriff war, zu überschreiten. Einiges hatte ich fast verstanden. Ich könnte Plapperaff Flügel annähen. Er könnte mit mir fliegen. Das wäre ein Spaß!
    Sie stand auf und begab sich zu ihrer Schwester.
    Nessarose war weniger erstaunt, Elphaba zu sehen, als diese vermutet hätte. Vielleicht lag das daran, überlegte Elphaba, dass Nessa mittlerweile gewohnt war, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Andererseits hatte sie schon immer im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gestanden. »Liebste Elphie«, sagte sie und sah von zwei Exemplaren desselben Buches auf, die ein Diener ihr nebeneinander hingelegt hatte, damit sie vier Seiten am Stück lesen konnte, ohne jemanden zum Umblättern rufen zu müssen. »Umarme mich und gib mir einen Kuss.«
    Â»Aber natürlich.« Elphaba tat ihr den Gefallen. »Wie geht es dir, Nessie? Du siehst gut aus.«
    Nessarose stand auf, die schönen Schuhe an den Füßen, und strahlte sie an. »Die Gnade des Namenlosen Gottes gibt mir Kraft, wie immer«, sagte sie.
    Aber Elphaba ließ sich nicht provozieren. »Du bist auf deinen eigenen Beinen weit gekommen, in jeder Hinsicht«, erwiderte sie. »Die Geschichte hat dir eine Rolle angetragen, und du hast Ja gesagt. Ich bin stolz auf dich.«
    Â»Du musst nicht stolz sein«, sagte Nessarose. »Aber trotzdem vielen Dank. Ich dachte mir schon, dass du kommen würdest. Hat Vater dich hergeschleift, damit du dich um mich kümmerst?«
    Â»Niemand hat mich hergeschleift, aber Papa hat mir geschrieben, das stimmt.«
    Â»Nach all den Jahren der Isolation bringen die politischen Unruhen dich endlich zurück. Wo bist du gewesen?«
    Â»Hier und da.«
    Â»Wir dachten, du wärst tot«, sagte Nessarose. »Wärst du so gut, mir das Tuch um die Schultern zu legen und es mit einer Nadel festzustecken? Dann muss ich keine Zofe rufen. Ich meine damals in dieser furchtbaren Zeit, als du mich in Shiz alleingelassen hast. Wenn ich daran denke, bin ich dir deswegen heute noch böse.« Sie machte einen reizenden Schmollmund. Elphaba war froh, dass sie sich wenigstens einen Rest von Humor bewahrt hatte.
    Â»Wir waren alle noch jung, und vielleicht war es falsch«, sagte sie. »Immerhin habe ich dir keinen bleibenden Schaden zugefügt. Jedenfalls soweit ich sehen kann.«
    Â»Ich musste mich weitere zwei Jahre lang gegen Madame Akaber behaupten. In der ersten Zeit hat mir Glinda geholfen, doch nach dem Examen ist sie abgegangen. Ämmchen war meine Rettung, aber sie war ja damals schon alt. Sie ist zu dir gezogen, nicht wahr? Ja, in der Situation habe ich mich schrecklich allein gefühlt. Nur mein Glaube hat mich das bestehen lassen.«
    Â»Tja, dazu taugt der Glaube«, meinte Elphaba, »sofern man einen hat.«
    Â»Du klingst, als würdest du immer noch im Schatten des Zweifels leben.«
    Â»Ich glaube, wir haben wichtigere Dinge zu besprechen als meinen Seelen- oder Nichtseelenzustand. Du hast hier

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