Wicked - Die Hexen von Oz
Wir können machen, was wir wollen, unter diesen ekligen kleinen Munchkinmenschen fallen wir immer auf.«
»Sie sind ziemlich verbittert«, sagte Elphaba.
»Nicht ohne Grund«, kam die Entgegnung. »Werteste, mein Euter ist ganz wund von dem ständigen ReiÃen. Morgens und abends werde ich gemolken. Ich will gar nicht erst davon reden, wie es ist, bestiegen zu werden von einem â ach, was sollâs. Aber das Schlimmste ist, dass meine Kinder mit Milch gemästet und dann für Kalbfleisch geschlachtet wurden. Ich konnte es vom Schlachthof her hören, sie haben sich nicht mal die Mühe gemacht, mich auÃer Hörweite zu bringen!« Bei diesen Worten drehte sie den Kopf zur Wand, und die Schafe kamen angetrottet und schmiegten sich links und rechts wie zwei lebende warme Stützen an ihre Flanken und ihren Bauch.
Elphaba sagte: »Es tut mir so leid. Ich schäme mich maÃlos. Wissen Sie, vor Jahren in Shiz habe ich mit Doktor Dillamond zusammengearbeitet â haben Sie von ihm gehört? Ich bin zum Zauberer persönlich gegangen, um gegen das Unrecht zu protestieren â«
»Ach, der Zauberer kümmert sich nicht um unsereinen«, sagte die Kuh , als sie sich wieder gefasst hatte. »Ich habe keine Lust mehr zu reden. Alle sind auf deiner Seite, bis sie etwas von dir wollen. Die Eminenz Nessarose hat uns wahrscheinlich eingetauscht, weil sie uns für irgendeinen religiösen Umzug gebrauchen kann, wo meine seidigen Flanken mit Girlanden geschmückt werden oder so etwas. Und wir wissen alle, was dann geschieht.«
»Nein, da liegen Sie sicherlich falsch«, sagte die Hexe. »Da mussich Ihnen widersprechen. Nessarose ist eine strenge Unionistin. Im Unionismus gibt es keine ⦠Schlachtopfer â¦Â«
»Die Zeiten ändern sich«, sagte die Kuh . »Und sie muss ein Volk von ungebildeten, reizbaren Untertanen bei der Stange halten. Womit, bitte sehr, ginge das besser als mit einem rituellen Schachtfest?«
»Aber wie um alles in der Welt konnte es dazu kommen?«, sagte die Hexe. »Wenn Sie sich nicht doch irren. Dies hier ist Bauernland. Ihr müsstet hier eigentlich einen guten Stand haben.«
»Eingesperrte Tiere haben viel Zeit, sich Theorien auszudenken«, sagte die Kuh . »Meines Wissens haben etliche unserer klugen Köpfe eine Verbindung zwischen dem Aufkommen des Tiktakismus und dem Rückgang der traditionellen tierischen Arbeit gezogen. Wir waren keine Lasttiere, aber wir waren gute, verlässliche Kräfte. Wenn man uns aus der Arbeiterschaft ausmustern würde, wäre es nur eine Frage der Zeit, bis man uns auch aus der Gesellschaft ausmustern würde. So jedenfalls eine der Theorien. Mein eigenes Gefühl allerdings sagt mir, dass im Land etwas wirklich Böses im Schwange ist. Der Zauberer geht als Vorbild voran, und die Gesellschaft trottet hinterdrein wie eine Herde Schafe. Entschuldigt die Bemerkung«, sagte sie und nickte ihren Gefährten im Pferch zu. »Das war keine Absicht.«
Elphaba machte das Gatter auf. »Kommt, ihr seid frei!«, sagte sie. »Was ihr daraus macht, ist eure Sache. Wenn ihr nicht wollt, müsst ihr selber die Folgen tragen.«
»Wenn wir hinausgehen, müssen wir auch die Folgen tragen. Meinen Sie etwa, eine Hexe, die eine Axt verzaubert, damit ein Mensch verstümmelt wird, hätte Bedenken, wenn es um zwei Schafe und eine lästige alte Kuh geht?«
»Aber dies ist vielleicht eure einzige Chance!«, rief Elphaba.
Die Kuh kam heraus, und die beiden Schafe folgten. »Wir kommen wieder«, sagte sie. »Das hier ist eine Lehre für Sie, nicht für uns. Denken Sie an meine Worte: Ehe das Jahr vorbei ist, wird mein Schwanzstück auf euren feinsten und teuersten Porzellantellern serviert werden.« Sie nickte. »Ich hoffe, ihr erstickt daran!«, muhte sie abschlieÃend und trottete davon, mit dem Schwanz die Fliegen wegwedelnd.
6
»Eine Botschafterin aus dem Glikkus, Elphie«, sagte Nessarose, als Elphaba sie zu sehen verlangte. »Wirklich, ich kann sie nicht hinhalten. Sie ist gekommen, um über einen gegenseitigen Beistandspakt zu sprechen für den Fall, dass der Glikkus sich als nächstes abspaltet. Sie glaubt, dass Agenten ihre Familie bespitzeln, und sie muss heute Abend noch die Rückreise antreten. Aber wir essen zusammen zu Abend, ja, wie in alten Zeiten? Du, ich und meine Serviererin.«
Elphaba
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