Wicked - Die Hexen von Oz
anderswo muss er Kansas kennen, keine Frage. Wer, wenn nicht er?«
»Wie grausam von dir«, bemerkte die Hexe.
»Sie ist so ein harmloses Kind, man sollte sie nicht ernst nehmen«, sagte Glinda leichthin. »Wenn die Munchkins sich um sie scharen würden, könnte die Wiedervereinigung mehr Blut kosten, als wir uns wünschen.«
»Du hoffst auf die Wiedervereinigung?«, schnaubte die Hexe entrüstet. »Du unterstützt sie?«
»AuÃerdem«, fuhr Glinda unbeirrt fort, »habe ich ihr aus einem Mutterinstinkt heraus, der irgendwo in diesem wohlverpackten Busen sitzt, gewissermaÃen zum Schutz Nessas Schuhe mitgegeben.« Â
»Du hast was?« Die Hexe fuhr herum und starrte Glinda an. Einen Moment lang war sie sprachlos vor Zorn, aber nur einen Moment. »Es reicht nicht, dass sie mit ihrem elenden Haus vom Himmel gestürzt kommt und meine Schwester zermalmt, sie bekommt auch noch ihre Schuhe? Du hattest kein Recht, diese Schuhe zu verschenken! Mein Vater hat sie für seine Tochter gemacht. Und hinzu kommt, dass Nessa sie mir nach ihrem Tod versprochen hatte.«
»Ach ja?«, sagte Glinda mit gespielter Ruhe und musterte die Hexe von Kopf bis FuÃ. »Sie wären in der Tat die perfekte Ergänzung zu deiner hochmodischen Aufmachung. Stell dich nicht so an, Elphie, seit wann machst du dir ausgerechnet etwas aus Schuhen? Sieh dir nur diese plumpen Stiefel an, die du trägst!«
»Ob ich sie tragen will oder nicht, geht dich nichts an. Du kannst nicht einfach ungefragt fremdes Eigentum weggeben. Papa hat diese Schuhe auf eine Art verziert, die er von Schildkrötenherz gelernt hat. Du hast deinen Zauberstab in Sachen reingesteckt, wo er nichts zu suchen hatte!«
»Darf ich dich daran erinnern«, sagte Glinda, »dass diese Schuhe zerfallen wären, wenn ich sie nicht hätte neu besohlen lassen, und auÃerdem habe ich sie mit einem besonderen Bindezauber verschnürt. Weder dein Vater noch du haben das für sie getan. Elphie, ich habe ihr beigestanden, als du sie in Shiz im Stich gelassen hast. Wie du auch mich im Stich gelassen hast. Ja, das hast du, streite es nur nicht ab, und hör auf, mich mit diesen blitzenden Blicken zu durchbohren,das zieht bei mir nicht. Ich bin ihre Ersatzschwester geworden. Und als alte Freundin habe ich ihr durch diese Schuhe die Kraft verliehen, ohne fremde Hilfe zu stehen. Wenn ich einen Fehler gemacht habe, tut es mir leid, Elphie, aber ich bin trotzdem der Meinung, dass mein Recht auf sie gröÃer ist als deines.«
»Wie dem auch sei, ich will sie wiederhaben«, sagte die Hexe.
»Ach, lass gut sein, es sind doch bloà Schuhe«, sagte Glinda. »Du tust so, als wären es heilige Reliquien. Es sind Schuhe und modisch ein bisschen veraltet, um die Wahrheit zu sagen. Lass sie dem Mädchen. Sie hat ja sonst nichts.«
»Hier, sieh, wie die Leute darüber denken.« Die Hexe deutete auf eine Stallwand, auf der in dicken roten Buchstaben geschrieben stand: JETZT TRAMPELN WIR AUF DIR HERUM, ALTE HEXE!
»Hör auf, bitte!«, sagte Glinda. »Ich bekomme Kopfschmerzen davon.«
»Wo ist sie?«, fragte die Hexe. »Wenn du die Schuhe nicht wiederbeschaffst, hole ich sie mir selber.«
»Wenn ich gewusst hätte, dass du sie haben willst«, bemühte sich Glinda, die Wogen zu glätten, »hätte ich sie für dich aufgehoben. Aber du musst einsehen, Elphie, dass diese Schuhe hier nicht bleiben konnten. Die tumben heidnischen Munchkins â Lurlinisten allesamt, sobald man an der Oberfläche kratzt â, sie hatten zu groÃe Hoffnungen auf diese dämlichen Schuhe gesetzt. Ein magisches Schwert könnte ich ja noch verstehen, aber Schuhe? Ich bitte dich. Ich musste sie aus Munchkinland wegschaffen.«
»Du bist mit dem Zauberer im Bunde und arbeitest darauf hin, Munchkinland übernahmereif zu machen«, sagte die Hexe. »Es geht dir überhaupt nicht um Wohltätigkeit, Glinda. Mach dir wenigstens selbst nichts vor. Oder stehst du nach all dieser Zeit doch noch unter dem alten Bann von Madame Akaber?«
»Ich lasse mich nicht von dir beleidigen«, sagte Glinda. »Das Mädchen ist fort, sie ist jetzt seit einer Woche unterwegs, Richtung Westen. Ich sage dir, sie ist nur ein ängstliches Kind und führt nichts Böses im Schilde. Sie wäre sehr bekümmert, wenn sie wüsste, dass sie etwas hat, was du haben
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