Wicked - Die Hexen von Oz
willst. In diesen Schuhen liegt keine Kraft für dich, Elphie.«
Die Hexe erwiderte: »Glinda, wenn diese Schuhe in die Hände des Zauberers fallen, wird er sie irgendwie dazu benutzen, sich Munchkinland wieder einzuverleiben. Sie haben mittlerweile für die Munchkins eine zu groÃe Bedeutung. Der Zauberer darf diese Schuhe nicht bekommen!«
Glinda legte der Hexe sacht die Hand auf den Ellbogen. »Sie werden nicht bewirken, dass dein Vater dich mehr liebt«, sagte sie.
Die Hexe zog ihr den Arm weg. Sie blickten sich zornig an. Sie hatten zusammen zu viel erlebt, um sich über ein Paar Schuhe zu entzweien, und doch standen die Schuhe jetzt zwischen ihnen als groteskes Wahrzeichen ihrer Unterschiede. Keine konnte einen Schritt zurück oder auf die andere zu tun. Es war absurd. Sie waren wie gelähmt, und irgendjemand hätte den Bann brechen müssen. Aber alles, was die Hexe herausbrachte, war: »Ich will diese Schuhe haben!«
4
Bei der Trauerfeier saÃen Glinda und ihr Mann auf der für Würdenträger und Botschafter reservierten Empore. Der Zauberer hatte einen Stellvertreter geschickt, gekleidet in eine prächtige rote Uniform, die von dem smaragdgrünen Kreuz auf der Brust geviertelt wurde, und von einer Schar wachsamer Leibwächter umgeben. Die Hexe saà unten und bekam Glinda nicht zu Gesicht. Frex weinte, bis er einen Asthmaanfall bekam, und die Hexe half ihm zu einer Seitentür hinaus, wo er wieder zu Atem kommen konnte.
Nach der Feier trat der Emissär des Zauberers an die Hexe heran und sagte: »Sie werden zu einer Audienz beim Zauberer gebeten. Er ist eigens unter diplomatischer Immunität auf einem Phönix angereist, um der Familie sein Beileid auszusprechen. Halten Sie sich bereit, sich heute Abend in Kolkengrund bei ihm einzufinden.«
»Er kann nicht hierherkommen!«, stieà die Hexe hervor. »Das wagt er nicht!«
»Die derzeitigen Entscheidungsträger sehen das anders«, sagte der Emissär. »Wie dem auch sei, er kommt inkognito und nur zu dem Zweck, mit Ihnen und Ihrer Familie zu sprechen.«
»Mein Vater ist gesundheitlich nicht in der Verfassung, den Zauberer zu empfangen«, sagte die Hexe. »Ich werde es nicht zulassen.«
»Dann wird er mit Ihnen zusammentreffen«, sagte der Emissär. »Er besteht darauf. Es gibt Fragen diplomatischer Natur, die er Ihnen stellen möchte. Aber Sie dürfen niemandem von diesem Besuch erzählen, sonst könnte das sehr unangenehme Folgen für Ihren Vater und Ihren Bruder haben. Und für Sie«, fügte er hinzu, als ob sich das nicht von selbst verstünde.
Sie überlegte, wie sie diese Zwangsaudienz für ihre eigenen Zwecke nutzen konnte. Sie dachte an Sarima, Frexâ Sicherheit, Fiyeros Schicksal. »Ich bin einverstanden«, erklärte sie schlieÃlich. »Ich werde kommen.« Und einen Moment lang war sie doch froh, dass Nessaroses verzauberte Schuhe nicht mehr da waren.
Als die Abendglocken läuteten, wurde die Hexe von einer Munchkinzofe aus dem Zimmer gebeten. »Sie werden sich einer Durchsuchung unterziehen müssen«, sagte der Emissär des Zauberers, der sie im Vorzimmer empfing. »So will es das Protokoll.« Â
Sie kochte vor Wut, während sie von den Wächtern einer Leibesvisitation unterzogen wurde. »Was ist das?«, fragte einer, als er in ihrer Tasche die Seite aus dem Grimorium fand.
»Ach, das«, sagte sie und überlegte schnell. »Das wird Seine Hoheit sehen wollen.«
»Sie dürfen nichts mit hineinnehmen«, wurde ihr erklärt, und die Seite wurde ihr abgenommen.
»Bei meinem Stammbaum, ich kann das Eminenzamt sofort wieder einführen und euern Anführer festnehmen lassen«, rief sie. »Ich lasse mir doch von euch nicht vorschreiben, was ich in diesem Haus tun kann und was nicht.«
Sie achteten nicht auf ihre Worte und geleiteten sie in einen Raum, der auÃer zwei Polstersesseln auf einem Blumenteppich leer war. Die Zugluft blies den Staub an den FuÃleisten entlang.
»Seine Hoheit, der Kaiserliche Zauberer von Oz«, sagte ein Diener und zog sich zurück. Eine Minute lang war die Hexe allein im Raum. Dann trat der Zauberer ein.
Er kam ohne Verkleidung, ein unscheinbarer älterer Mann mit Stehkragenhemd und Mantel und einer Taschenuhr in der Weste. Sein Gesicht war rosig und fleckig, und über den Ohren standen Haarbüschel ab. Er wischte
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