Wicked - Die Hexen von Oz

sagen. Ich habe von Wortbedeutungen gesprochen«, entgegnete er gelassen. »Sollen andere, die gebildeter sind als ich, die verborgenen Bedeutungen des Lebens ergründen. Aber ich finde es in der Tat interessant, dass ihr Name dem ihres Königs so ähnlich ist.«
    Milla schaltete sich ein. »Ich glaube, dass sie ein wunderbares kleines Mädchen ist, so normal und so unschuldig wie jedes Kind, nicht mehr und nicht weniger. Mirabete, nimm die Pfoten von der Zitronentorte, oder es setzt was! Die kleine Dorothy hat mich daran erinnert, wie Ozma vielleicht einmal war oder vielleicht sogar noch einmal werden wird, falls sie jemals aus dem verzauberten Tiefschlaf erwacht, in dem sie angeblich liegt.«
    Â»Sie hört sich an wie ein kleines Ekel«, sagte die Hexe. »Ozma, Dorothy, immer dieses Gerede über kindliche Erlöser. Das war mir früher schon zuwider.«
    Â»Weißt du was?«, sagte Boq nach kurzem Überlegen. »Da wir gerade von den alten Zeiten sprachen, fällt es mir wieder ein … Erinnerst du dich noch an diese alte Illumination, die ich seinerzeit in der Drei-Königinnen-Bibliothek entdeckte? Die Frauengestalt mit dem Tier auf dem Arm? Es lag etwas wie Zärtlichkeit und Schrecklichkeit in diesem Bild. Und irgendetwas an Dorothy erinnert mich an diese rätselhafte Gestalt. Man könnte sie vielleicht sogar die Namenlose Göttin nennen – oder ist das ein Sakrileg? Dorothy hat diese liebevolle Art gegenüber ihrem Hund, einem ziemlich grässlichen kleinen Biest. Und du glaubst nicht, wie widerwärtig er riecht. Einmal nahm sie den Hund auf den Arm, beugte sich zu ihm herab und machte beruhigende Töne, in genau der gleichen Haltung wie diese mittelalterliche Gestalt. Dorothy ist ein Kind, aber im Verhalten hat sie die Gewichtigkeit einer Erwachsenen und einen Ernst, den man bei jungen Menschen nicht häufig antrifft. Ehrlich gesagt, Elphie, war ich von ihr bezaubert.« Er knackte ein paar Walnüsse und Makaranthen aus dem Osten und verteilte sie. »Ich bin sicher, dir wird es genauso gehen.«
    Â»Wie du sie schilderst, würde ich ihr am liebsten aus dem Weg gehen«, sagte die Hexe. »Wenn ich zur Zeit auf etwas verzichten kann,dann darauf, von jugendfrischer Reinheit bezaubert zu werden. Aber ich will dringend mein Eigentum wiederhaben.«
    Â»Diese Schuhe sind magisch, nicht wahr?«, sagte Milla. »Oder haben sie bloß symbolischen Wert?«
    Â»Woher soll ich das wissen?«, erwiderte die Hexe. »Ich habe sie mein Lebtag nicht angehabt. Aber wenn ich sie bekommen und mit ihnen aus diesem tristen Leben hinausspazieren könnte, würde mir das nicht leid tun.«
    Â»Wie dem auch sei, alle haben immer die Schuhe für Nessas Tyrannei verantwortlich gemacht. Ich finde, Glinda hat recht daran getan, sie aus Munchkinland hinauszuschaffen. Das Kind schmuggelt sie über die Grenze, ohne eine Ahnung davon zu haben.«
    Â»Glinda hat das Mädchen in die Smaragdstadt geschickt«, sagte die Hexe scharf. »Wenn der Zauberer sie in die Hände bekommt, wird ihm das erlauben, in Munchkinland einzumarschieren. Und ihr seid schön dumm, wenn ihr euch neutral verhaltet und euch einredet, es wäre egal, ob er das tut oder nicht.«
    Â»Bleib doch noch ein Weilchen, wenigstens zum Tee«, sagte Milla begütigend. »Schau, Clarinda hat eine frische Kanne gekocht, und wir haben Safransahne. Kannst du dich noch an die Feier mit Safransahne nach Muhme Schnapps Beerdigung erinnern?«
    Die Hexe atmete schwer; sie spürte einen Druck auf der Brust. Sie dachte nicht gern an diese turbulenten Zeiten zurück. Glinda hatte genau gewusst, dass Madame Akaber hinter dem Tod von Muhme Schnapp stand, aber als Freifrau Glinda von Paltos gehörte sie jetzt ebenfalls der herrschenden Klasse an. Es war grässlich. Und Dorothy, woher sie auch kommen mochte, war noch ein Kind, und sie benutzten sie dazu, Munchkinland von diesen verdammten magischen Schuhen zu befreien. Oder sie dem Zauberer zuzuspielen. Genau wie Madame Akaber ihre Studentinnen benutzt hatte.
    Â»Ich kann nicht hier herumsitzen und dummes Zeug palavern«, rief sie unvermittelt und warf die Schale mit Nüssen um. »Haben wir damals an der Akademie nicht genug Zeit mit endlosem Gerede vertan?« Sie griff sich Besen und Hut.
    Boq blickte bestürzt und wäre beinahe rückwärts von der Bank gefallen. »Elphie, was regst du dich