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Wicked - Die Hexen von Oz

Wicked - Die Hexen von Oz

Titel: Wicked - Die Hexen von Oz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Maguire
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dachte die Hexe. Umso besser, dann kann ich vielleicht noch unbemerkt entkommen.
    Die Rektorin hatte mittlerweile einen Sekretär, einen fülligen älteren Herrn mit einem Spitzbart. »Sie haben keinen Termin?«, erkundigte er sich. »Ich sehe nach, ob sie zu sprechen ist.« Als er zurückkehrte, sagte er: »Die Frau Rektorin wird Sie empfangen. Möchten Sie vielleicht Ihren Besen im Schirmständer abstellen?«
    Â»Sehr freundlich. Nein, danke«, erwiderte die Hexe und ging an ihm vorbei.
    Die Rektorin erhob sich aus einem Ledersessel. Es war nicht Madame Akaber, sondern eine kleine rosigweiße Frau mit kupferroten Locken und einem forschen Auftreten. »Wie war noch mal Ihr Name?«, fragte sie höflich. »Sie sind gewiss eine Altgediente, und ich habe meinen Dienst gerade erst angetreten.« Sie lachte über ihre humorige Bemerkung, die Hexe aber nicht. »Ich lerne erst langsam begreifen, dass jeden Monat Dutzende von Ehemaligen vorbeischauen, um die angenehmen Jugenderinnerungen an ihre Zeit hier aufzufrischen. Seien Sie doch so gut und sagen mir, wie Sie heißen, und ich lasse uns ein Kännchen Tee bringen.«
    Mit Mühe antwortete die Hexe: »Ich wurde Damsell Elphaba genannt, als ich hier war – wie unglaublich lange das schon zurückliegt. Nein, keinen Tee für mich, ich kann nicht lange bleiben. Man hat mich falsch unterrichtet. Ich wollte eigentlich Madame Akaber sprechen. Wissen Sie, wo ich sie finden kann?«
    Â»Tja, ist das jetzt Glück oder Pech?«, sagte die neue Rektorin. »Bis vor kurzem hat sie immer noch einen Teil des Semesters in der Smaragdstadt verbracht und als Vorsitzende des ›Loyalen Oz‹ Seine Hoheit persönlich in Bildungsfragen beraten. Aber erst neulich ist sie in ihre Ruhestandswohnung im Tatterbau zurückgekehrt – oh, Verzeihung, das ist ein Witz unter den Studentinnen, der mir da herausgerutscht ist. Richtig heißt er Töchterbau, weil er von den großzügigen Töchtern des Grattler-Kollegs finanziert wurde, unseren Ehemaligen. Wissen Sie, ihr Gesundheitszustand hat sich verschlechtert, und – so ungern ich es ausspreche – ich fürchte, dass es mit ihr zu Ende geht.«
    Â»Ich würde furchtbar gern kurz bei ihr reinschauen und hallo sagen«, sagte die Hexe. Schauspielen hatte ihr noch nie gelegen, und nur weil die neue Rektorin noch so jung und unerfahren war, kam sie damit durch. »Ich war eine ihrer Lieblingsstudentinnen, wissen Sie. Sie würde sich bestimmt freuen.«
    Â»Ich rufe Grommetik, damit er Sie hinbringt«, sagte die Rektorin. »Aber Sie sollten zuerst bei der Krankenpflegerin nachfragen, ob Madame Akaber besuchsfähig ist.«
    Â»Lassen Sie Grommetik, ich finde mich selbst zurecht. Ich werde mit der Pflegerin reden und es kurz machen. Und bevor ich gehe, komme ich noch einmal zu Ihnen, und vielleicht kann ich ja einen kleinen Beitrag zum Jahresetat leisten oder eine besondere Kampagne unterstützen, die Sie zur Zeit durchführen.«
    Soweit sie sich erinnern konnte, hatte sie noch nie zuvor im Leben gelogen.
    Der »Tatterbau« war ein breiter, runder, siloartiger Turm unmittelbar neben der Kirche, in der seinerzeit Doktor Dillamonds ehrend gedacht worden war. Eine Putzfrau, die mit Eimern und Besen vorbeischob, sagte der Hexe, dass Madame Akaber eine Treppe höher wohnte, hinter der Tür mit der Standarte des Zauberers.
    Eine Minute später stand die Hexe vor der Standarte. Sie zeigte einen Ballon mit angehängtem Korb, der an seine spektakuläre Ankunft in der Smaragdstadt erinnerte, und darunter zwei gekreuzte Schwerter. Von weitem sah der Ballon wie ein großer Schädel aus, der Korb wie ein aufgerissener Rachen und die gekreuzten Schwerter wie ein abweisendes X. Der Türknauf ließ sich problemlos drehen, und die Hexe betrat die Wohnung.
    Die Zimmer standen voll mit Andenken an akademische Erfolge und Zeichen der Wertschätzung seitens diverser smaragdstädtischer Institutionen, darunter auch der kaiserliche Palast. Die Hexe durchschritt eine Art Empfangszimmer, in dem trotz der sommerlichen Wärme ein Feuer brannte, und einen Küchenbereich. Auf einer Seite befand sich eine Toilette, und sie hörte darin jemanden schluchzen und sich die Nase putzen. Die Hexe schob eine Kommode vor die Tür und ging weiter ins Schlafzimmer.
    Madame Akaber lag hoch auf Kissen gelagert in einem riesigen Bett, das

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