Wickelkontakt - Roman
irgendwann morgens gegen halb acht ein.
Als ich mittags wach wurde, war es hell, mein Kopf tat weh, meine Zunge war pelzig, und mir war kotzübel. Die Luft in meiner Einzimmerwohnung stank nach Kneipe, das konnte sogar ich riechen, obwohl ich selbst einen Großteil des Gestanks ausmachte. Ich wankte zum Fenster, kniff beide Augen gegen die stechende Sonne zu, schwor mir, endlich mal Gardinen anzubringen, und riss die Fenster auf.
Die eisige Februarluft strömte direkt ins Zimmer und in meinen Kopf, und mir fiel ein, dass ich eigentlich Besuch haben müsste. Im Badezimmer rauschte die Klospülung.
Ich kuschelte mich wieder ins Bett, um nicht nüchtern, übelriechend, mit verschmierter Schminke und halbnackt vor Jonas zu stehen, und zog die Decke wegen des offenen Fensters bis an den Hals.
An seinen Namen konnte ich mich noch erinnern, und auch an unser schönes Gespräch in der Nacht– mein Heulzusammenbruch vorm Ex-Sparr war gnädigerweise in entfernte Regionen meines umnebelten Hirns entschwunden, ich hatte nur eine vage Vorstellung davon, was ich Jonas alles erzählt hatte, und wollte es auch gar nicht so genau wissen.
Mann, war das alles wieder ätzend. Jetzt hatte ich den auch noch mit nach Hause genommen! Ich wollte nur noch meine Ruhe und schlafen. Ein » Naa?« störte mich in meiner Dös-Phase.
» Na?«, sagte ich auch und machte die Augen auf. Jonas war schon angezogen– schade, also kein Kuscheln mehr.
Ich setzte mich im Bett hin und sah ihn an.
» Willst du los?«, fragte ich.
» Ja, ich muss, ich hab keine neuen Kontaktlinsen mit, mir tun die Augen weh, und ich bin auch ganz schön fertig«, meinte er.
» Wo wohnst du denn eigentlich?«, wollte ich wissen.
» In Winterhude, nicht so weit von hier«. Oh schön, Winterhude. Mir fielen sofort die hohen Bäume ein, die Alster und viele schöne Altbauhäuser. Ich dagegen wohnte ja in Hamburg-Hoheluft und nannte es » Eppendorf«.
Das war sogar nicht mal gelogen, weil der Eingangsbereich meines Hauses tatsächlich zum schicken teuren Eppendorf gehörte. Der Blick aus meiner Einzimmerwohnung ging allerdings– unverbaubar– auf eine vierspurige Hauptverkehrsstraße, die Hoheluftchaussee. Direkt unter meinem Fenster im zweiten Stock des braunen Nachkriegsbaus befand sich eine Bushaltestelle. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite reihten sich eine Videothek, eine Hamburger Sparkasse und ein niemals besuchter Eisladen aneinander. Eppendorf dagegen war nur einen Katzensprung entfernt und mein Traumstadtteil von Hamburg: Gepflegte Jugendstilaltbauten in Hellgelb und Rosa wurden von verschnörkelten Balkonen geschmückt, über deren schmiedeeiserne Geländer oft wunderschöne Blumen hingen. Die Menschen waren zurückhaltend bis arrogant, trotzdem fühlte ich mich im Eppendorfer Weg zu Hause. Und mal ehrlich: Ihr Katzenfutter kaufen sie doch alle bei Penny, ob nun am Hafen in St. Pauli oder unter den Kastanien am Eppendorfer Weg.
Winterhude war dagegen die nördliche Verlängerung Eppendorfs– etwas weniger arrogant, etwas weniger gepflegt, etwas weniger Jugendstil, dafür mehr Rotklinker– und nach Eimsbüttel der neue In-Stadtteil für Familien, da die Alster mit ihren schönen Wiesen und der Stadtpark mit großem Spielplatz in der Nähe waren.
» Wo denn in Winterhude?«, fragte ich Jonas.
» Sierichstraße«, antwortete er kurz angebunden.
Aha, also fast direkt an der Alster. Teuer. Das Gespräch verebbte, und wir schwiegen uns an. Er lehnte am Fensterbrett, bestimmt war ihm langsam kalt, ich saß auf dem Bett. Es war richtig blöd. Also stand ich auf, nur in T-Shirt und Höschen, schloss das Fenster und umarmte ihn.
» Na ja, dann«, sagte ich und fühlte mich irgendwie hilflos. Ich wollte nicht, dass er ging. Er drückte mich an sich.
Schien ihm ähnlich zu gehen. Küssen wollte ich ihn nicht, wir hätten uns ja beide erst mal die Zähne putzen müssen.
» Sehen wir uns denn wieder?« Ich musste es einfach wissen. Verdammt, warum kann ich nicht einfach meine Klappe halten? Ich ärgerte mich über meine Plapper-Art, immer musste ich alles kaputt machen.
Setze Jungs NIE unter Druck! Rufe NIE an! Mach dich rar, sei ein Star! Wenn er sich nicht meldet, will er nichts von dir, und du bist einfach nicht sein Typ! Hol die Angel langsam ein! Es war wie mit Diäten: In der Theorie weiß man ALLES, man kennt die Ernährungspyramide und die Kalorienangaben jedes Lebensmittels auswendig, muss noch nicht mal nachdenken– eine Banane
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