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Wickelkontakt - Roman

Titel: Wickelkontakt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katri Dietz
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holte und dann in kleine, verwertbare Schnipsel schnitt. Danach war ich dann noch vier Stunden alleine im Sender und damit eigenverantwortlich für News, Wetter und Verkehr. Auch on air. Seit über einem Jahr war ich nun dabei, und da ich mich bisher immer gut geschlagen hatte, durfte ich, was eine Ehre für einen Volontär war, abends alleine senden, worauf ich zugegebenermaßen schon etwas stolz war. Sogar eine Abendsendung hatte ich im Dezember moderieren dürfen, weil alle Freien krank geworden waren. Weil ich das nun aber noch nicht so oft, dafür aber proportional gesehen schon sehr häufig Fehler gemacht hatte, musste ich mich heute furchtbar konzentrieren. Das wiederum half gut gegen alle möglichen Grübeleien, die dahergelaufene Konstrukteure betrafen.
    Nach meiner Schicht, die ich zum Glück ohne einen Versprecher oder eine Falschmeldung gemeistert hatte, bereitete ich noch bis um ein Uhr nachts alles für den nächsten Tag vor, dann fuhr ich erschöpft nach Hause. Jonas hatte nicht angerufen. Auf dem Display meines Festnetztelefons stand kein Anruf in Abwesenheit, und mein Handy hatte auch nicht geklingelt. Aber es war auch noch nicht der dritte Tag. Glaubte man diversen Frauenzeitschriften, hielten sich Männer angeblich an solche unausgesprochenen Regeln, wie zum Beispiel erst drei Tage nach der ersten Nacht anzurufen. Allerdings wusste ich gar nicht mehr, ob ich überhaupt wollte, dass er anrief. Irgendwie wurde mir alles zu viel. In der Nacht traf ich eine Weichen stellende Entscheidung.
    In meiner nächsten Schicht am Dienstagabend saß ich alleine am Nachrichtenplatz, rauchte und guckte » Sex and the City«, als der Simpsons-Klingelton meines Handys losdudelte. Heute war der dritte Tag.
    Ich hatte noch zwanzig Minuten bis zum nächsten News-Block um zweiundzwanzig Uhr, und es war schon alles fertig geschrieben. Ich musste nur die Agenturmeldungen im Auge behalten, ob etwas passierte, und wenn ja, so schnell wie möglich meine ganzen Nachrichten umschreiben. Wenn sich etwas an der aktuellen Lage änderte, oder wenn etwas Gravierendes passierte, zum Beispiel » Babyleiche in Hamburger Keller gefunden«, » Attentat auf Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust«, » Bundeskanzler zurückgetreten« oder » Bombenexplosion auf Hamburger Hauptbahnhof«, geschah das meistens um kurz vor voll, so dass einem kaum Zeit blieb, Luft zu holen, geschweige denn, einen vernünftigen Satz zu der Meldung zu finden. In solchen Fällen arbeitet man dann mit » Steuerung c– Steuerung v«, heißt: rauskopieren (aus der Agentur-Meldung), einfügen (in eigenen Text), vorlesen ( on air ).
    Ist nicht gerne gesehen, aber in der Kürze der Zeit nicht anders machbar. Schließlich bezahlt der Sender die Agentur dafür, dass einem deren Mitarbeiter die Meldungen schön formulieren. Da sie das meistens nicht machen, bezahlt der Sender außerdem eigene Redakteure, die diesen Job dann übernehmen und den ganzen selbst zusammengetexteten Kram auch vortragen. Wie auch immer, es war ja noch Zeit bis zu den News, und ich hatte brav alles schön umgeschrieben, deshalb ging ich beherzt, wenn auch mit Herzklopfen, ans Telefon.
    » Hallo?«
    » Hi, hier ist Jonas.«
    » Hi!«, sagte auch ich. Verdammt, der hört mein Herz, dachte ich dabei.
    » Na, wie geht’s?«
    » Joa, ganz gut. Ich arbeite noch.« Das übliche Geplänkel. » Und selbst?«
    » Ja, auch ganz gut– weißt du eigentlich, dass du mir ’nen Knutschfleck gemacht hast?«, fragte er, wohl um das Gespräch etwas zu entkrampfen.
    » Ach nee.«
    » Ja, im Theater haben mich alle ausgelacht.«
    Der arme Junge. Na ja, mit einunddreißig noch mit Knutschflecken aufzutauchen ist vielleicht auch ein bisschen daneben. Soso, ich hatte ihn also auch markiert. Guck mal an! Hatte ich gar nicht mitgekriegt. Mein eigener Knutschfleck glühte auch immer noch vor sich hin, zum Glück hatte mich aber niemand drauf angesprochen. Wahrscheinlich hätte eher jemand was gesagt, wenn ich an einem Montag mal keinen Knutschfleck gehabt hätte. Mit einem Tuch kaschieren kam auch nicht infrage, weil ich Halstücher so dermaßen daneben fand, dass ich stattdessen lieber meine Wochenendflecken präsentierte und die Kommentare dazu wegfegte wie Brotkrümel vom Tisch.
    Das Telefonat kam etwas ins Stocken. Schließlich fasste Jonas sich ein Herz und klaubte offenbar all seinen Mut zusammen, als er sagte: » Na ja, weswegen ich eigentlich anrufe– wann sehen wir uns denn mal wieder?«
    Jetzt, mein Auftritt!

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