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Wider die Unendlichkeit

Wider die Unendlichkeit

Titel: Wider die Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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Seine flüssigbraunen Augen schienen das Licht aus dem düsteren Schlafraum zu absorbieren. »Es hat The Barron untersucht, würde ich meinen. Hat ihn umgedreht, so wie ein Mann einen merkwürdig geformten Kieselstein umdreht, und ihn dann aus Versehen fallen gelassen, so daß er zerbrach.«
    Ungeduldig fuhr der Junge fort: »So was in die Richtung, klar, aber der springende Punkt ist doch, ein Elektronenstrahl transportiert elektrischen Strom. Leiter sind wie Spiegel – ein Strom kommt ihnen nach, sie erzeugen einen Abbildungsstrom, nur umgekehrt. Genau so, wenn du in einen Spiegel guckst und Linkshänder bist.«
    »Ich bin schon Linkshänder.«
    »Dann bist du im Spiegel Rechtshänder. Ich meine, was man ganz früh in der Energietechnik lernt, nämlich daß ein Strom mit entgegengesetzten Zeichen abgestoßen wird. Richtig? Das heißt, ein E-Strahl, der einen Leiter erreicht, sieht praktisch einen abstoßenden Strom in dem Leiter. Seine eigene Abbildung stößt ihn ab.«
    Old Matt lehnte sich zurück und musterte den Jungen mit einer Mischung aus Belustigung und neu gewecktem Respekt.
    »Also bleibt der E-Strahl weg.«
    »Richtig!«
    »Und das heißt, E-Strahlen nutzen nichts gegen das Aleph.«
    »Nicht, wenn man auf Kernschußweite feuert, so wie es der Hiruko-Typ tut. So wie es jeder getan hat, so weit ich es von Dad weiß. Aber einmal angenommen, man bekommt den Strahl in eine der Öffnungen.«
    »Dann gerät er in eine Art Metallröhre. Er wird von den Wänden abgestoßen. Na und? Nutzt dir immer noch nichts.«
    Manuel gestikulierte. »Nein, nein. Der E-Strahl, er fliegt durch das Loch, fast so schnell wie Licht. Er kann nicht in eine Wand fahren, weil er jedesmal, wenn er sich einer Krümmung oder Gabelung in der Röhre nähert, sein eigenes Abbild sieht.«
    »Und das findet er abstoßend«, lächelte Old Matt.
    »Also zischt er weiter. Verstehst du? Er biegt um Ecken, nimmt Kurven – nur um von seinen Abbildern fortzukommen. Herrlich!«
    Old Matt schloß einen Moment die Augen. Seine Nasenlöcher weiteten sich bei jedem langsamen Atemzug, sein Gesicht war wie eine Maske. Als er die Augen wieder öffnete, war sein Gesichtsausdruck verändert, so als wäre ein Moment eingetroffen, den er erwartet hatte, ohne zu wissen, daß er auf ihn wartete. »Der E-Strahl bahnt sich seinen Weg in das Aleph hinein.«
    »Und wenn das Metall zu Ende geht – falls es zu Ende geht –, trifft der Strahl – zack!« – Manuel schlug die Hände zusammen, Köpfe fuhren herum – »in das, was da ist. Alles Nichtmetallische.«
    »In das, was da ist.«
    »Richtig. Tief drinnen in dem Ding.«
    Erneut schloß Old Matt die Augen. Er nickte schläfrig. »Ein Mann, dann ein Tier, dann ein Gewehr. Jetzt haben wir alle drei. Entweder es reicht, oder es wird nie reichen.«
    Manuel war erregt von der Vorstellung eines E-Strahls, der sich kraftvoll in das Ding hineinbohrte, sich schlängelnd einen Weg bahnte und in die weichen, verwundbaren Teile tief innen traf; Teile, deren Beschaffenheit niemand auch nur annähernd kannte. Der Junge hörte kaum, was der alte Mann sagte, und noch weniger dachte er darüber nach, was der Mann Old Matt gemeint hatte.

 
     
     
Teil 3
     
LANGE JAGD

 
1.
     
     
    Old Matt weckte ihn früh. Ganymeds finstere Nacht würde erst später der Dämmerung weichen, ein Vorgang, der Stunden dauerte, als müßten alle Dinge hier einen übermenschlichen Maßstab haben. Manuel war an der Reihe, Energiekabel an Schlepper und Geher anzuschließen und den Fusionsgenerator zu beschicken. Noch im Halbschlaf zog er sich langsam an. Neblige Formen, die vor einem schieferschwarzen Hintergrund rannten, hochragten und keuchten, tauchten vor seinen Augen auf, ein Traum, den er inzwischen so gut kannte, daß seine Bedeutung eindeutig war, wie ein Faktum, wirklicher als das Tageslicht. Seine Lungen und sein Herz erwachten bleiern wieder zum Leben, und er zitterte, als er die dünnen, aber schwerfälligen Gewebeschichten überzog, die sie alle, selbst drinnen, zum Schutz gegen die fortwährend zehrende Kälte trugen. Im Schlafraum gähnten und stöhnten die Männer. Einige stolperten nach hinten und urinierten laut in die offenen Recycler. Aus ihren Anzügen geschält, war ihr Fleisch porzellanweiß, rotgescheuert, wo die Isolierschichten sich bauschten oder falteten. Einige wiesen fleckige Schwielen und dicke blaue Venen auf, wo Druckverluste das Blut an die Oberfläche gesaugt hatten. Andere hatten Flecken aus glänzenden

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