Wider die Unendlichkeit
inzwischen zu fallen begonnen hatte. Der Junge zurrte Ausrüstungsgegenstände fest, bereitete schließlich die Staudruckmesser vor und blickte dann von der Arbeit auf in einen Kreis stummer, unbewegter Gesichter. Einige hatte er noch nie zuvor gesehen. Ihm wurde bewußt, daß dies die größte Gruppe war, die jemals hinausgezogen war. Eine buntgemischte Crew, die sich im Freien rund um die schäbigen Fahrzeuge versammelte: um abgenutzte Transporter der Agency mit eingedrückten Verkleidungen und abgerissenen Antennen; Schlepper, denen die Lenkraupenketten fehlten und die mit Stahlbändern der falschen Stärke geflickt waren; Geher, denen ganze Beine fehlten, verschrammt und verbeult und mit Passagierkuppeln, die mit Sprüngen übersät waren, so daß niemand hinausblicken konnte – Gefährte, die fast so schlecht wie ihre Anzüge waren, die bei Bewegungen quietschten und aus Rissen Luft ausströmten; organische Dichtungsmittel flossen in die defekten Stellen und füllten sie, doch schon beim nächsten Schritt platzten sie wieder auf, und die verbrauchte Anzugluft knackte beim Ausströmen, gefror und fiel zu Boden. Unbewegt beobachteten sie ihn, ohne ein Wort untereinander zu wechseln. Einige arbeiteten, einige waren untätig. Sie hielten sich von dem großen blauroten Adler, der den Hügelkamm abschritt, die Ebene dahinter beobachtete und die Männer in seinem Rücken ignorierte, ein gutes Stück entfernt.
»Für heute schlage ich drei Gruppen vor«, sagte Petrowitsch zum Colonel. »Die parallele Talgruppe da – der Major nimmt das linke, ich das rechte. Ganz einfach …«
»Ich glaube nicht«, unterbrach Colonel López. »Es handelt sich nicht um ein militärisches Manöver. Falls es kommt, wenn wir nahe sind, wird es keine Flanke angreifen oder sich darum kümmern, wie wir aufmarschiert sind. Das ist ihm gleichgültig.«
»Ich meine …«
»Wir werden in parallelen Tälern vorrücken. Ich nehme das linke. Haltet Schritt!«
Petrowitsch hatte den neuen Männern erklärt, was sie zu tun hatten, und das war ihm zu Kopf gestiegen. Er lief rot an, sagte aber nichts.
»Der Junge und Old Matt«, schaltete Major Sánchez sich ein, »zu Fuß werden sie mit dem E-Strahler langsamer sein. Ich könnte mich bei ihnen halten und …«
Wieder unterbrach Colonel López: »Sie bleiben bei der Hauptgruppe. Wir sind viele, werden das Ding ganz schön verwirren, wenn wir alle rummachen. Vielleicht hilft es den beiden, einen Schuß anzubringen.«
Plötzlich meldete Petrowitsch sich wieder zu Wort: »Merzen wir hier draußen Muties aus oder …«
»Natürlich«, sagte der Colonel. »Natürlich tun wir das. Hattest du etwas anderes vermutet?« Er grinste Major Sánchez zu. Petrowitsch schluckte seinen Ärger hinunter, da er seine Sinnlosigkeit einsah.
Und so brachen sie auf wie gewöhnlich, obwohl keiner glaubte, daß es ein normaler Tag werden würde. Die Hiruko-Leute hatten sich mit der Zentrale kurzgeschlossen und einen Bericht erhalten, daß das Aleph vor fünf Tagen gut fünfhundert Kilometer entfernt von ihnen aufgetaucht und seitdem nicht mehr gesichtet worden war. Aber hier draußen waren Wahrscheinlichkeiten bedeutungslos, und jeder Mann, der in der klappernden, rumpelnden Karawane fuhr oder ging, spürte, daß dieser Tag lang werden und keinen von ihnen unverändert lassen würde. Keiner von ihnen erwartete allerdings einen Erfolg, eine Veränderung des Gleichgewichts zwischen Menschen und Aleph.
Manuel sah Adler nach, der eifrig vor ihnen allen hinausrannte, den Kopf nach unten, als horchte er am Boden. Der pulvrige Schnee schmolz von ihm ab, die komplizierten Gelenkbeine und Spurketten scharrten und rollten über schwarzes Eis, zerschmetterten Stümpfe und Aufwölbungen und hinterließen eine Spur, als wäre Adler eine kleinere Version dessen, was er jagte. Im Innern war Adlers Herz und Blut und vielleicht Lungen, gestützt von Maschinen, die darüber hinaus dazu dienten, seine Bewegungen zu vergrößern und zu verstärken, so daß der weiche Innenbereich im Grunde ein Stützpunkt war, von dem die einzige bewußte Konzentration auf das Ding ausging, eine Konzentration, anders als die eines Menschen oder eines Tiers, verzehrender, reiner, von dem Willen erfüllt, durchzuhalten, sich anzuspannen und weiter zu jagen, bis er aufspüren, zuschlagen und töten konnte. Er gehörte weder Old Matt, noch ihm, noch sonst jemandem, würde nie jemandem gehören, denn er war in einen Raum jenseits aller Menschlichkeit
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