Wider die Unendlichkeit

herunterholen zu können. Manuel ging nach draußen. Sein Vater und die anderen stiegen aus den Fahrzeugen. Sie alle waren blaß und bewegten sich in der typischen Art von Männern, die in Anzügen arbeiteten, deren Energie erschöpft ist. Er gesellte sich zu der Gruppe aus dem nächsten Schlepper. Sie fuhren einen Gabelstapler unter das eine Ende Adlers und hoben ihn auf eine provisorische Rampe. Der Hagel hatte die Rampe schlüpfrig gemacht und half ihnen, als sie ihn hinunterschoben. Sie banden ihn hinter den Schlepper und zogen ihn zu der außenliegenden Med- und Hydraulikstation für die Tiere.
    Adler hob den Kopf und versuchte ihn zu drehen. Stahl quietschte, Funken sprangen. Der große Kopf fiel baumelnd zur Seite. Er zog die Hände nach, und die Spurketten klapperten und verklemmten sich ineinander. Er kämpfte tief drinnen, das konnte Manuel erkennen, und einen Augenblick später erzitterte er, die Hände entspannten sich, und er wurde wieder still. Der Junge glaubte, eine leichte, gleichmäßige Bewegung sehen zu können, so als arbeiteten Lungen tief unten.
    Der Med-Techniker kam heraus. Die vielen Männer, die in die Hütte geströmt kamen, Männer mit Muskelzerrungen, Verstauchungen und gebrochenen Knochen, schienen ihn zu beruhigen. Er nahm an dem zerquetschten Ding eine Routineprüfung vor. Petrowitschs ungeschickt angebrachte Flicken schnitt er weg und lötete neue an. Er stoppte den Flüssigkeitsverlust und gab den inneren Systemen, die noch Leben in sich hatten, Stromstöße. Dann schüttelte er den Kopf. »Wunder kann ich nicht wirken«, murmelte er.
    »Sie können’s, verdammt nochmal, versuchen«, sagte Manuel schroff.
    »Ich tue, was ich kann. Für mehr habe ich keine Ausstattung.«
    »Ich könnte ihn zurück nach Sidon bringen.«
    »Es sollte nicht mehr bewegt werden.«
    »Wollen Sie ihn etwa einfach da liegen lassen?«
    »Sieh mal, es gibt tiefe innere Verletzungen. Entweder die lebenden Teile kommen durch oder nicht. Helfen könnte man nur, wenn man das Gehäuse aufstemmt, es herausnimmt und am Leben hält, bis ihr es nach Hiruko schafft. Dort verstehen sie sich auf solche Arbeiten. Ich nicht. Deshalb sage ich, wir lassen es ruhen und warten ab, ob es durchkommt.«
    »Wie lange?«
    »Einen Tag, zwei.«
    »Und dann?«
    »Bringen es nach Hiruko, wenn es kräftig genug aussieht.« Die Mundwinkel des Med-Technikers zuckten gereizt. »Hör mal, ich muß an den Männern arbeiten. Tiere kommen zuletzt dran, das weißt du.«
    »Das ist kein Tier.«
    »Ja, ja, schon gut. Lies die Vorschriften, Junge. Lies einfach die Vorschriften.« Der Mann ging wieder nach drinnen, seine Werkzeuge befingernd. Er hatte mit mehr Verletzungen zu tun, als er jemals nach einem kleinen Ausmerzausflug gesehen hatte, und das gefiel ihm nicht.
    In der weiträumigen Hütte aßen und tranken die Männer oder lagen halb ausgezogen auf ihren Kojen, bereits in den Schlaf gesunken, die Gesichter von wochenalten Bärten und Schmutz dunkel. Einige schnarchten. Der Junge setzte sich, sagte nicht viel und hörte den müden Gesprächen nicht zu. Old Matt lag ganz ruhig, die Diagnoseanzeigen blieben stabil. Der Junge schlief wieder ein. Aber als er auf seiner Koje liegend, mit einer Decke um den Kopf und nichts auf der unteren Körperhälfte erwachte, spürte er nicht, daß die träge Müdigkeit und der Schmerz in seinen Armen und Beinen nachließen.
    Er ging hinaus, um nach Adler zu sehen. Es war kurz vor dem Mittag des langen Ganymed-Tages, und die Sonne hatte sich durch die Nebelschichten gebrannt, die sich hoch oben, wo die neue Atmosphäre in schieres, totes Vakuum auskochte, bildeten. Das Tüpfelchen einer Sonne warf scharfe Schatten unter den Männern und Frauen, die jetzt hereinkamen – Rohrmechaniker und Agro-Helfer aus Sidon und weiter entfernten Siedlungen, Bergleute von noch nicht benannten Ein-Kuppel-Orten, Kontraktarbeiter, Frauen, die seit Jahrzehnten verwitwet waren –, alle mit einer wirklichen oder eingebildeten Schuldforderung, die jetzt bezahlt worden war. Sie kamen in Gehern oder zu Fuß, folgten dem andauernden Bip-bip-bip und erreichten den großen freien Platz, wo Adler lag, den Blick nach draußen gewandt zu der fernen Kette der Eishügel. Es müssen hundert gewesen sein, die zwischen den Fahrzeugen saßen, als Manuel herauskam. Er beobachtete, wie sie zu dem großen, malträtierten Ding gingen und auf den eingekerkerten Kadaver starrten, nicht wagten, eine Hand auszustrecken und ihn zu berühren, mit leiser