Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell
irgendwo hinter ihr.
Glaeken lächelte schief, neigte die Klinge, so daß ihre Spitze auf den Boden zeigte – und schob das Schwertheft auf den Dorn. Mit einem deutlich hörbaren Klicken rastete es ein. Unmittelbar darauf erstrahlte ein Licht, noch heller als die Sonne an einem wolkenlosen Sommertag. Es ging von Glaeken und dem nun wieder vollständigen Schwert aus, gleißte über den Hof der Feste und spiegelte sich auf den kreuzartigen Gebilden in den grauen Mauern wider.
Es schimmerte wie aus einem Brennofen, gut und rein, trocken und warm. Und es ließ keinen Platz mehr für Schatten und Schemen. Es erfüllte jeden Winkel. Der Nebel verflüchtigte sich innerhalb weniger Sekunden, und die Ratten ergriffen quiekend die Flucht. Als der Glanz die Leichen erfaßte, wich das Pseudoleben aus ihnen, und sie fielen lautlos zu Boden.
Rasalom bebte am ganzen Leib, hob die Arme und schirmte sein Gesicht ab.
Nach und nach verblaßte der blendende Schein und kroch in die Klinge zurück. Magda zwinkerte mehrmals. Es dauer te eine Weile, bis sie wieder sehen konnte. Glaeken hatte sich verändert. Er trug noch immer blutverkrustete, zerrisse ne Kleidung, aber er war nun völlig geheilt und stark. Er war wieder der Meister des Lichts, der über Epochen hinweg gegen das Böse gekämpft hatte. Magda bemerkte seinen durchdringenden Blick und die eiserne, unerschütterliche Entschlossenheit in seinem Gesicht.
Er hob das Schwert. Die Runen bewegten sich wie geisterhafte Wesen und krochen über die ganze Länge der Klinge. In Glaekens blauen Pupillen leuchtete es, als er sich Magda zuwandte und sie mit seiner Waffe grüßte.
»Danke«, sagte er. »Danke für alles. Ich wußte, daß du mutig bist. Aber du hast mehr geleistet, als ich zu hoffen gewagt habe.« Er deutete auf den alten Mann. »Bring ihn durchs Tor. Ich halte hier Wache, bis ihr beide in Sicherheit seid.«
Magdas Knie drohten nachzugeben, als sie aufstand. Dutzende von Leichen auf dem Hof – und von Rasalom weit und breit keine Spur. »Wo …?«
»Ich finde ihn«, sagte Glaeken. »Aber zuerst müßt ihr fort.«
Die junge Frau bückte sich, hob ihren verblüffend leich ten Vater auf und trug ihn die wenigen Meter bis zur Brüc ke. Cuza atmete flach und rasselnd und blutete aus Dutzenden von kleinen Bißwunden. Magda hob ihren Rock und betupf te sie vorsichtig.
»Leb wohl«, vernahm sie Glaekens Stimme.
Es klang wie ein Abschied für immer. Magda drehte sich um und sah tiefe Trauer und Niedergeschlagenheit in seinen Zügen.
»Was hast du vor?« fragte sie leise.
»Ich beende nun einen Krieg, der vor Äonen begann«, erwiderte er dumpf. »Und ich wünschte …«
Sorge umklammerte Magdas Herz. »Du kommst doch zurück, nicht wahr?«
Der rothaarige Mann wandte sich ab und ging über den Hof.
»Glaeken?«
Er verschwand im Zugang des Turms.
»Glaeken!« rief Magda verzweifelt.
29. Kapitel
Dunkelheit erwartete ihn im Turm, eine Finsternis, wie sie nur Rasalom schaffen konnte. Sie umschloß Glaeken, doch er war nicht völlig wehrlos gegen die Schwärze. Als er durch den Zugang trat, ging von seinem Runenschwert ein bläulicher Glanz aus. Die in den Wänden eingelassenen Nachbildungen des Hefts reagierten sofort auf die Präsenz des Originals und erstrahlten in einem gelbweißen, pulsierenden Schein.
Magdas Stimme folgte Glaeken in den Turm. Er blieb vor der Treppe stehen und hörte, wie die junge Frau seinen Namen rief. Aber er achtete nicht darauf, weil er fürchtete, er könnte seiner emotionalen Schwäche nachgeben. Er mußte alles andere aus sich verbannen, alle Verbindungen zur Welt außerhalb der Feste lösen. Es gab jetzt nur noch Rasalom und ihn. Ihr jahrtausendealter Konflikt gipfelte nun in einem letzten Kampf, der über alles entschied.
Glaeken nahm die Kraft des glühenden Schwerts in sich auf. Es fühlte sich gut an, die uralte Waffe in der Hand zu halten – so als sei er wieder mit einem verlorenen Teil seines Körpers vereint. Doch ein Rest von Kummer blieb, zitterte und rumorte an der Grundfeste seiner Entschlossenheit.
Selbst wenn er gewann – er durfte sich keinen vollständigen Sieg erhoffen. Rasaloms Tod würde auch seine Existenz bedrohen; danach war er für die Macht, der er diente, nicht mehr von Nutzen.
Wenn es ihm gelang, Rasalom zu töten …
Glaeken befreite sein Bewußtsein von allem Ballast. Es wäre fatal gewesen, mit Zweifel in die Schlacht zu ziehen. Nur mit Siegesgewißheit konnte er sich gegen seinen Feind
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