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Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe

Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe

Titel: Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Gabe
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gegen die Brustwand des Patienten drückt – so berührt nur die Membran den Patienten. Oder aber, er kann sich hinüberbeugen und den Patienten stützen, indem er die linke Hand auf den nackten Rücken des Patienten legt. Dadurch hört er zwar nicht besser, aber es besteht ein Kontakt zwischen ihm und dem Patienten. Es ist eine sehr einfache, aber sehr persönliche Angelegenheit. Und aus der Berührung ergeben sich zusätzliche diagnostische Vorteile. Man kann häufig kleine Hinweise dadurch erhalten, wie sich die Haut und das Gewebe anfühlen. Das ist nichts, was man in Lehrbüchern nachschlagen kann, es ist etwas, das man nur lernt, indem man es anwendet. Das ist praktische Medizin, die heutzutage von viel zu wenigen Ärzten ausgeübt wird. Und diejenigen, die sie praktizieren, werden durch die medizinische Richtlinienverordnung ins Abseits gedrängt.«
    Im Komiteesaal war es still. Selbst die Reporter hatten aufgehört zu tuscheln.
    Sie mögen ihn. Der Senator entschied, dass es besser wäre, Bulmer mit Samthandschuhen anzufassen, statt ihn zu demontieren.
    »Das war sehr gut ausgedrückt, Dr. Bulmer«, sagte McCready. »Aber warum zögerten Sie, diesen Punkt vor dem Komitee vorzubringen?«
    »Nun …«, sagte Bulmer langsam, offensichtlich seine Worte abwägend. »Die Arbeitsprämisse dieses Komitees ist anscheinend die, dass man tatsächlich Richtlinien für eine gute medizinische Versorgung festlegen kann. Ich wäre also nicht überrascht, wenn meine Aussage zu einer neuen bundesstaatlichen Richtlinie führen würde, die verlangt, dass jeder Arzt jeden Patienten eine vorgegebene Anzahl von Minuten während jeder Untersuchung berühren muss.«
    Einige kicherten, dann hörte man andere lachen, und schließlich brach der ganze Saal in schallendes Gelächter aus. Sogar einige Komiteemitglieder grinsten schüchtern.
    McCready tobte innerlich. Er wusste nicht, ob man ihn in eine Falle gelockt oder ob Bulmer diese Bemerkung wirklich aus dem Handgelenk geschüttelt hatte. Egal, dieses Würstchen von Arzt machte sich über ihn und das Komitee lustig. Seine Worte waren sorgfältig mit Humor verpackt gewesen, aber der Stachel war unverkennbar. McCready sah kurz zu den anderen Komiteemitgliedern. Ihre Mienen alarmierten ihn.
    Bis zu diesem Moment hatte er nicht den geringsten Zweifel daran gehegt, dass seine Gesetzesvorlage Teil der neuesten Bestimmungen über das Programm der Gesundheitsfürsorge werden würde. Diese Anhörung war nur eine reine Formsache gewesen. Nun erlebte er das erste Anzeichen von Ungewissheit. Bulmer hatte einen Nerv berührt, und die Komiteemitglieder zuckten.
    Zum Teufel mit ihm!
    Diese Gesetzesvorlage musste verabschiedet werden! Das Land brauchte sie! Er brauchte sie! Er musste der Art von ärztlichen Fehlern ein Ende setzen, die die richtige Diagnose bei ihm so lange verzögert hatten. Und wenn die Ärzteschaft das nicht konnte oder wollte, so würde er es für sie tun!
    Er musste dringend etwas unternehmen. Als höchste Priorität galt es, diesen Arzt sofort vom Mikrofon weg- und dann aus dem Sitzungssaal hinauszubringen.
    Er lehnte sich dicht an sein eigenes Mikrofon. »Vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre wertvollen Anregungen, Dr. Bulmer.«
    Und dann applaudierte der Saal, und Kongressabgeordneter Switzer klopfte seinem Lieblingsarzt auf die Schulter. McCready beobachtete das Paar hinter seinen dunklen Gläsern. Er musste etwas gegen diesen Switzer unternehmen. Bald. Und Dr. Bulmer … Dr. Alan Bulmer …
    Er würde sich den Namen merken.
     

6. Alan
     
    Er machte eine eilige Nachmittagsvisite im Krankenhaus und traf Ginny dann im Club zum Abendessen. Danach richtete er sich auf einen netten ruhigen Abend zu Hause ein, als der Telefondienst ihm einen Anruf von Joe Barton, einem langjährigen Patienten, durchstellte. Er hustete Blut. Alan bestellte ihn sofort in die Notaufnahme, um ihn dort zu treffen.
    Es stellte sich heraus, dass Joe eine typische Lobärpneunomie hatte. Aber da er als starker Raucher zu einer Risikogruppe gehörte, musste ausgeschlossen werden, dass seine infizierte Lunge vorgeschädigt war, daher ordnete Alan für den folgenden Tag eine CT an.
    Als Alan sich dem Schreibtisch der Krankenschwester in der Notaufnahme näherte, ertönte eine Stimme von einer Liege in der Ecke.
    »Sie! Hey, Sie! Sie sind derjenige!«
    Das Deckenlicht in der Ecke brannte nicht. Alan blinzelte in das Halbdunkel. Ein ungepflegter alter Mann lag dort und zeigte auf ihn. Alan erkannte ihn nicht,

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