Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe
Arzt-Bürokraten, die sich unerschütterlich ausschließlich nach ihrem Formelkatalog richten. Die Medizin wird so menschlich wie die Wohlfahrt, so effizient wie die Post und so erfolgreich wie der Friedensprozess im Mittleren Osten.
Nur eine Gruppe wird langfristig darunter leiden: die Patienten.«
Irgendwo im Saal applaudierte jemand, dann klatschten zwei und dann ganz viele.
Gemietete Claqueure, sagte sich McCready. Aber dann fielen immer mehr ein, bis der ganze Saal – sogar einige Komiteemitglieder! – applaudierte. Was hatte dieser Bulmer gesagt? Er hatte keine Schaubilder oder Tabellen gezeigt, und er konnte nicht viele Fakten und Zahlen präsentiert haben, denn dann hätte McCready eine Menge glasiger Augen gesehen. Also hatte er wahrscheinlich die Nummer »Dr. Aufrichtig« abgezogen. Er ballte eine Faust zusammen. Hätte er doch zugehört!
Nun, egal. Er würde ein wenig Katz und Maus mit ihm spielen und ihn dann in seine Schranken weisen. Er räusperte sich, und im Saal wurde es still.
»Erklären Sie mir, Dr. Bulmer«, sagte er, wobei ihm das ständige Schnarren in seiner Stimme auffiel, »wenn die amerikanische Medizin keine Richtlinien benötigt, wie erklären Sie sich dann die Krise des Gesundheitssystems?«
Bulmer nickte ihm zu. Er schien auf diese Frage vorbereitet zu sein.
»Wer außer Ihnen, Herr Senator, behauptet, dass es eine Krise gibt? Aus einer kürzlich erstellten landesweiten Studie geht hervor, dass nur zehn Prozent der Befragten mit ihrer eigenen medizinischen Versorgung unzufrieden waren, trotzdem hatten jedoch volle achtzig Prozent den Eindruck, dass es in Amerika eine Krise des Gesundheitssystems gibt. Da frage ich mich doch: Wenn neunzig Prozent der Leute mit ihrer eigenen medizinischen Versorgung zufrieden sind und selbst keine ›Krise des Gesundheitssystems‹ in irgendeiner Art spüren, wieso haben sie dann die Vorstellung, dass es eine Krise gibt? Die Antwort liegt auf der Hand: Es wurde ihnen so oft gesagt , dass Amerika in einer Krise des Gesundheitssystems steckt, dass sie inzwischen selbst daran glauben, trotz der Tatsache, dass neunzig Prozent von ihnen mit ihrer eigenen Versorgung keine Probleme haben. Als Eigentümer eines Zeitungsimperiums, Senator, können Sie, glaube ich, besser als ich erklären, wie eine wahrgenommene Krise im Gesundheitssystem produziert werden kann.«
Dieser Bastard!, dachte McCready, als ein spontaner Applaus sofort wieder verebbte. Der Arzt versuchte ihn in die Defensive zu drängen. Er überlegte, ob er darauf hinweisen sollte, dass sich die McCready-Zeitungskette in den Händen eines Verwaltungsrates befand und er dort keine Funktion ausübte, solange er sein Amt bekleidete, entschied sich aber dagegen. Es war besser, diese Bemerkung zu ignorieren – sie nicht einmal einer Antwort zu würdigen. Er wartete, bis die Stille fast unangenehm wurde. Als er schließlich sprach, war es, als habe es Bulmers Bemerkung niemals gegeben.
»Mit der amerikanischen Medizin ist also alles in Butter?«
Der Arzt schüttelte den Kopf. »Nein, Senator. Ganz im Gegenteil. Die Ärzte im Allgemeinen tun ihre Arbeit nicht so gut, wie sie es sollten oder könnten. Ich spreche dabei nicht von Fachkompetenz – jeder, der sein Examen an einer amerikanischen Universität gemacht hat, kann als kompetent angesehen werden. Ich spreche über die wachsende Kluft zwischen Ärzten und Patienten. Die Erfordernisse und Beschränkungen durch regulierte Pflege sind hier bereits erörtert worden. Aber auch die Technologie, die uns wie nie zuvor erlaubt, Diagnosen zu stellen und Krankheiten zu behandeln, baut eine Mauer zwischen Patient und Arzt auf.«
McCready war sich nicht sicher, ob ihm dieser Verlauf gefiel. Er hatte einige Gemeinplätze erwartet, dass Ärzte auch nur Menschen seien, die das Beste tun, was sie können. Er wusste nicht, worauf Bulmer hinauswollte.
Der Arzt machte eine Pause und fuhr dann fort. »Ich hasse es wirklich, diesen Punkt vor einem Komitee wie diesem vorzubringen, aber nichtsdestotrotz: Als Ärzte müssen wir weiterhin die Menschen berühren , und damit meine ich ein tatsächliches Handauflegen, selbst wenn es nicht notwendig ist. Dadurch wird dem Patienten klar, dass es abgesehen von all dieser Technik da auch noch ein menschliches Wesen gibt, das sie bedient.
Ein einfaches Beispiel: Ein Mediziner kann die Herztöne abhören, indem er rechts neben dem Patienten steht, den Schalltrichter mit den Fingern der rechten Hand hält, und ihn von da
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