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Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe

Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe

Titel: Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Gabe
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einen durch und durch gründlichen Arzt.
    »Doch, aber da war er noch nicht da.«
    »Wann haben Sie ihn zuerst bemerkt?«
    »Letzten Monat.«
    »Untersuchen Sie Ihre Brust monatlich?«
    Sie wandte ihre Augen ab. »Nein.«
    Er könnte also auch schon seit drei Monaten da sein!
    »Warum sind Sie nicht früher gekommen?«
    »Ich … ich dachte, er geht wieder weg. Aber das war nicht so.« Ein vereinzeltes Schluchzen kam durch. »Er ist größer geworden.«
    Alan legte sanft eine Hand auf ihre Schulter. »Warten Sie erst mal. Vielleicht ist es ja nur eine Zyste – das ist nichts anderes als ein mit Flüssigkeit gefüllter Beutel – oder etwas anderes Gutartiges. Sehen wir mal nach.«
    Sie machte ihren BH auf und zog ihn unter dem Papierumhang aus. Alan hob den Umhang hoch und schaute auf ihre Brüste. Er bemerkte sofort eine kleine Apfelsinenhautstelle links oben, ungefähr fünf Zentimeter von der linken Brustwarze entfernt.
    »Welche Brust?«
    »Die linke.«
    Das wurde immer schlimmer.
    »Legen Sie sich zurück.«
    In dem Bemühen, das Unvermeidliche aufzuschieben, untersuchte Alan zuerst die rechte Brust. Er begann am äußeren Rand und tastete sich zur Brustwarze vor. Normal. Das Gleiche machte er auf der anderen Seite, fing aber unter dem Arm an. Dort unter der rutschigen Oberfläche aus Schweiß, Deodorant und Achselhaarstoppeln fühlte er drei deutlich ausgeprägte vergrößerte Lymphknoten. Verdammt! Seine Hände bewegten sich weiter zur Brust, wo er unter dem veränderten Hautbereich eine harte unregelmäßige Masse fühlte. Sein Magen zog sich zusammen. Zweifellos bösartig!
    Und dann geschah es wieder.
    Dieses Zucken, diese Ekstase, der kleine Aufschrei der Patientin, der Moment der Desorientierung.
    »Was war das ?«, fragte sie und legte ihre Hände über ihre linke Brust.
    »Ich … bin mir nicht ganz sicher«, sagte Alan, der nun beunruhigt war. Dies war das zweite Mal in weniger als einer Stunde gewesen. Was war …?
    »Er ist weg!«, schrie Mrs Westin und tastete hektisch mit ihren Fingern über ihre Brust. »Der Knoten – Gott sei gepriesen – ist nicht mehr da!«
    »Natürlich ist er da«, sagte Alan. »Tu…« Er hätte beinahe Tumore gesagt. »Knoten verschwinden nicht so einfach.« Alan wusste um die Macht der Leugnung als psychologischer Mechanismus; das Schlimmste wäre nun, wenn sie sich selbst belog und glaubte, dass sie keine Geschwulst in der Brust hätte. »Hier. Ich zeige es Ihnen.«
    Aber er konnte es ihr nicht zeigen. Er war weg.
    Die Geschwulst, die Apfelsinenhaut, die vergrößerten Knoten – weg!
    »Wie haben Sie das gemacht, Doktor?«
    »Was gemacht? Ich habe nichts gemacht.«
    »Doch, haben Sie. Sie haben den Knoten berührt und er ist verschwunden.« Ihre Augen strahlten ihn an. »Sie haben mich geheilt.«
    »Nein, nein.« Er suchte nach einer Erklärung. »Es muss eine Zyste gewesen sein, die geplatzt ist. Das ist alles.« Er glaubte es nicht – Zysten in der Brust platzten und verschwanden nicht während einer Untersuchung –, und nach ihrem Gesichtsausdruck zu urteilen, glaubte es auch Henrietta Westin nicht.
    »Der Herr sei gepriesen, Er hat mich durch Sie geheilt.«
    »Nun warten Sie mal!« Die Sache entglitt ihm. Fast hektisch untersuchte Alan jetzt wieder ihre Brust.
    Das kann nicht sein! Sie muss da sein!
    Aber sie war nicht da. Es gab keine Spur von der Geschwulst.
    »Der Herr segne Sie!«
    »Nun warten Sie eine Minute, Henrietta. Ich will, dass Sie eine Mammografie machen lassen.«
    Als sie sich aufrichtete und ihren BH wieder anzog, hatten ihre Augen immer noch dieses Strahlen. »Wenn Sie es wünschen, Doktor.«
    Sehen Sie mich nicht so an!
    »Heute noch. Ich werde sofort das Krankenhaus anrufen.«
    »Alles, was Sie sagen.«
    Alan flüchtete aus dem Untersuchungszimmer zu seinem Schreibtisch. Er nahm den Hörer ab, um die radiologische Abteilung des Monroe-Community-Hospitals anzurufen – und hielt inne. Ein paar Sekunden lang konnte er sich nicht an die Telefonnummer des Krankenhauses erinnern, eine Nummer, die er mindestens ein Dutzend Mal täglich wählte. Dann fiel sie ihm wieder ein. Diese Sache musste ihn mehr aufgewühlt haben, als ihm bewusst gewesen war.
    Jack Fisher, der Chef der Radiologie, war von der Idee, eine weitere Mammografie in seinem Terminplan unterzubringen, nicht begeistert, aber Alan überzeugte ihn von der Dringlichkeit dieser besonderen Anfrage, und Jack gab widerstrebend seine Zustimmung.
    Alan schaffte es, seine Arbeit bei den übrigen

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