Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe
der bereitete die Sandwiches zu. Stattdessen fuhr er dann zu Memisons und bestellte eine Fischplatte.
Später, als sein Hunger gestillt war und er auf dem Parkplatz des frei stehenden Gebäudes anhielt, das ihm zur Hälfte gehörte, sah er, dass im Anwaltsbüro noch Licht brannte. Auf Alans Klopfen wurde die Tür geöffnet.
»Ah! Alan! Komm rein.«
Alan lächelte den Mann an, der vielleicht sein engster Freund war, sein Partner in dem Bürogebäude, das ihnen gemeinsam gehörte, und den er dennoch kaum sah. Er war kleiner als Alan, mit kurz geschorenen Haaren und einem Schnurrbart. Er war immer noch so mager, wie es in seinem Alter nur ein unverheirateter Kettenraucher sein konnte.
»Ich habe gerade einige Diktate beendet und wollte für heute Schluss machen. Etwas zu trinken?«
»Ja, könnte ich gebrauchen.«
Tony reichte ihm ein Glas mit Dewar’s pur.
Sie tranken, und Alan ließ den Alkohol die Kehle hinunterbrennen. Oh, das tat gut. Er sah sich in dem luxuriös eingerichteten Büro um. Er und Tony waren beide einen langen Weg gegangen von ihren Wurzeln in Brooklyn – es waren nur wenige Kilometer auf der Landkarte, aber vom Einkommen und vom Status her waren sie Lichtjahre weit gekommen.
Sie plauderten, und dann fragte Alan Tony: »Du wolltest mich sprechen?«
»Ja«, sagte Tony, deutete auf einen Stuhl und zündete sich eine Zigarette an, als er sich hinter seinen Schreibtisch setzte. »Zwei Dinge. Erstens – weißt du, was heute für ein Tag ist?«
Alan hatte nicht die leiseste Ahnung.
»Es ist unser achter Geburtstag, du Dumpfbacke!«
Alan lächelte über die Leichtigkeit, mit der Tony wieder in seinen Brooklyn-Akzent und die Straßensprache ihrer Jugend zurückfiel. Alan hatte in seinem Medizinstudium schnell gelernt, dass er mit seinem Brooklyn-Akzent über Baseball oder Hot Dogs oder Zusammenstöße mit den Vertretern des Gesetzes reden konnte, dass man so aber nicht über Medizin reden durfte, weil niemand, der so redete, jemals als Arzt ernst genommen werden würde. Also hatte er sich einen neutralen, dialektlosen Sprachstil angewöhnt, der jetzt zu einem völlig selbstverständlichen Teil seiner Existenz geworden war.
Tony benutzte sein »Anwaltsenglisch«, wie er es nannte, nur, wenn er Anwalt war. Wenn er zwanglos mit Freunden zusammen war, dann war er der alte Tony DeMarco, der Kerl, der von der Straße kam, und der härteste Junge der Gegend.
»Tatsächlich? So lange schon?«
Alan konnte kaum glauben, dass es schon acht Jahre her war, seit er Tonys Namen zufällig in der Spalte Anwälte im Telefonbuch gelesen hatte – sein Büro war damals so gelegen, dass man sich dort praktisch für einen Termin in der Mittagspause verabreden konnte – und er hatte mit Freude erfahren, dass sie nur ein paar Blocks voneinander entfernt in Brooklyn aufgewachsen waren.
Er hatte Tony gefragt, wie er aus seinem Vertrag mit Lou Alberts herauskommen könnte. Persönlich kam er mit Lou gut aus, aber ihre unterschiedlichen Arbeitsweisen passten nicht zusammen. Alan hatte es völlig unmöglich gefunden, mit Lou Schritt zu halten, was acht Patienten in der Stunde an einem durchschnittlichen Tag bedeutete, und zehn oder mehr in der Stunde, wenn es viel zu tun gab. Lous Arbeitsweise bestand darin, das dringendste Problem des Patienten mit einer Injektion oder dem Verschreiben eines Medikaments zu lösen und ihn dann hinauszukomplimentieren, um Platz für den nächsten zu schaffen. Er war ein Arzt, der seine Hand immer an der Türklinke hatte. Bei dem Versuch, ihm nachzueifern, war sich Alan wie ein Fabrikarbeiter am Fließband vorgekommen. Es war keineswegs die Art von Medizin, die er praktizieren wollte.
Aber Alan wollte seinen Vertrag nicht brechen, solange Lou sich an seinen Teil der Abmachung hielt. Bedauerlicherweise ergab Tonys Prüfung, dass Lou alle Verpflichtungen seines Vertrages exakt erfüllte. Aber das wäre kein Problem – Tony könnte ihn jederzeit aus dem Vertrag und insbesondere den wettbewerbsrechtlichen Klauseln herauspauken.
»Ja. Vor acht Jahren hast du mein Leben verändert, als du erklärt hast, du würdest das zweite Jahr aus deinem Vertrag mit Lou Alberts erfüllen.«
»Ach was!«
»Ich meine es ernst, Mann! Ich bot dir ein halbes Dutzend Winkelzüge an, um da rauszukommen, aber du hast dagesessen mit dieser makellosen Weste und gesagt: ›Nein. Ich habe unterschrieben, und das ist es.‹ Weißt du, wie ich mich gefühlt habe? Wie Abschaum! So was hatte noch kein Klient zu mir
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