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Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe

Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe

Titel: Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Gabe
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lächeln, als er uns einfach wegstarb.«
    Er hob die freie Hand an die Augen, als ihm ein Schluchzer entfuhr. Dann ein weiterer. Er ließ die Verpackungen fallen und schlug beide Hände vor das Gesicht.
    Sylvia wusste nicht, was sie tun sollte. Sie hatte niemals zuvor einen Mann weinen sehen, und Alans Schmerz war so tief, dass sie am liebsten mitgeweint hätte. Sie legte einen Arm um seine hochgezogenen Schultern. Ihn zu berühren und sein Zittern zu spüren machte aus seinem Schmerz eine körperliche Angelegenheit. Sie wollte ihm etwas Tröstendes sagen … aber was gab es da zu sagen?
    Alan gewann plötzlich wieder Kontrolle über sich und wischte sein Gesicht an den Ärmeln trocken.
    »Entschuldigen Sie«, sagte er und schaute weg, offensichtlich verlegen. »Ich bin keine Heulsuse. Ich komme am siebenundzwanzigsten Mai immer her, und ich habe die letzten fünf oder sechs Male nicht geweint.« Er schniefte. »Ich weiß nicht, was heute mit mir los ist.«
    Ein Gedanke durchfuhr Sylvia wie die Gewalt einer Explosion. »Vielleicht weil Sie denken, dass Sie ihn vielleicht hätten retten können, wenn er in diesem Jahr geboren wäre?«
    Alan starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an.
    »Ba hat es mir erzählt«, sagte sie.
    »Ba?« Es schien fast so, als würde er den Namen nicht kennen.
    »Sie wissen doch – der große Vietnamese. Er sagt, er sah Sie auf der Party etwas tun.«
    »Die Party«, sagte Alan mit flacher leerer Stimme. »Es scheint schon so lange her zu sein.« Und dann leuchteten seine Augen. »Die Party! Die Platzwunde von diesem Burschen von der MTA! Ja … Ba könnte es gesehen haben.«
    Einen Moment lang herrschte Schweigen, dann holte Alan tief und zitternd Luft. »Es stimmt, wissen Sie. Ich kann … Dinge tun, die ich vor zwei Monaten noch als völlig unmöglich abgetan hätte. Ich … ich kann zu bestimmten Zeiten einfach alles heilen. Alles . Aber es nützt Tommy nichts mehr, nicht wahr? Ich meine, was soll das alles, wenn es bei Tommy keinen Sinn mehr hat. Der war schließlich die wichtigste kleine kranke Person in meinem Leben!«
    Er biss sich auf die Lippen, ging ein paar Schritte rückwärts und kam dann zurück.
    »Wissen Sie was?«, fragte er, etwas ruhiger. »Bevor Sie kamen, habe ich dagesessen und tatsächlich daran gedacht, das Grab zu öffnen, um zu sehen, ob ich ihn wieder zurückholen kann.«
    Mit einem Beben der Angst erinnerte sich Sylvia an die alte Geschichte von der Affenpfote.
    »Manchmal glaube ich, ich werde verrückt«, sagte er und schüttelte heftig den Kopf.
    Sylvia lächelte, um die Situation zu entschärfen. »Warum sollten Sie sich von uns anderen unterscheiden?«
    Alan gelang es, das Lächeln zu erwidern. »Sind Sie hierhergekommen, um jemanden zu besuchen?«
    Sylvia dachte an Greg, dessen Grabstein am anderen Ende des Feldes war. Sie hatte ihn nahe seiner Heimat beerdigt statt auf dem Militärfriedhof von Arlington, war aber nie zu seinem Grab gegangen.
    »Nur Sie.« Er sah sie verwirrt an. »Ba hat Ihnen einiges zu sagen.«
    Er zuckte die Schultern. »Lassen Sie uns gehen.«
     

18. Alan
     
    »Und du sagst, dieser Mann hat dich einfach berührt?«
    Ba nickte zustimmend.
    Alan saß mit Sylvia hinten im Graham; es war das erste Mal, dass er in dem Wagen war, und er bestaunte die luxuriöse Einrichtung. Ba saß vorn, ihnen halb zugewandt. Sie waren immer noch auf dem Friedhof.
    Ba hatte ihnen von seinem ungewöhnlichen Wachstum in seiner Jugend erzählt und dass seine Mutter befürchtet hatte, er würde zu groß werden, um mit anderen Menschen zusammenleben zu können. Als der Mann, der das – wie Ba es nannte – Dat-tay-vao besaß, in sein Dorf kam, hatte seine Mutter ihn zu diesem Mann gebracht.
    »Was hast du gespürt?«, fragte Alan.
    Er konnte seine Aufregung kaum unterdrücken. Die Legendenbildung um die Geschichte war nicht sehr originell, das spielte keine Rolle. Es gab Beweise! Die Bestätigung durch einen Augenzeugen, dass eine solche Macht existierte!
    »Ich fühlte einen Schmerz tief in meinem Kopf, dann stürzte ich fast zu Boden. Aber danach wuchs ich nicht mehr.«
    »Das bestätigt die Vietnam-Verbindung. Es passt alles zusammen!«
    »Was für eine Vietnam-Verbindung?«, fragte Sylvia.
    Alan entschied, ihr alles zu erzählen, und begann mit dem Landstreicher Walter Erskine und dem Vorfall in der Notaufnahme.
    »Mit den Heilungen begann es kurz danach. Ich habe immer vermutet, dass der Landstreicher diese Gabe an mich weitergegeben hatte – wie und

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