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Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe

Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe

Titel: Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Gabe
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fand einen Stuhl und setzte sich.
    »Alan, du machst Witze!«
    Alan ließ sich auf dem Sofa ihr gegenüber nieder. »Manchmal, Ginny, wünsche ich beinahe, es wäre so. Aber es ist wahr. Diese Leute lügen nicht und sind auch nicht verrückt. Sie wurden wirklich geheilt. Und ich habe es getan.«
    Er sah ihren Mund eine tonlose Frage formen.
    Er sprach es für sie aus: »Wie? Ich weiß es nicht.« Er erwähnte den Vorfall mit dem Landstreicher nicht. Es war schon so schwer genug zu glauben, auch ohne diese Geschichte und das, was Tony ihm kürzlich über den Mann erzählt hatte. »Alles, was ich weiß, ist, dass ich zu bestimmten Zeiten des Tages Leute heilen kann, egal, was für Beschwerden sie haben.«
    Ginny sagte nichts. Alan auch nicht. Ginny beobachtete ihre Hände; Alan beobachtete sie. Schließlich sagte sie zögernd: »Wenn es wahr ist – und ich kann nicht glauben, dass ich hier sitze und auch nur darüber rede –, aber wenn es wahr ist, dann musst du damit aufhören.«
    Alan saß wie betäubt da. Er konnte nicht aufhören. Nicht für immer. Er konnte sich eine Zeit lang einschränken oder es zurückhalten, aber er konnte nicht aufhören.
    »Es geht um Heilen , Ginny«, sagte er. »Ich weiß nicht, wie lange ich diese Gabe haben werde. Aber solange ich sie habe, muss ich sie anwenden. Das ist der Sinn meines Lebens. Wie soll ich da aufhören?«
    Ginny sah schließlich auf. In ihren Augen standen Tränen. »Es wird alles zerstören, wofür wir gearbeitet haben. Bedeutet dir das nichts?«
    »Ginny, du musst verstehen …«
    Sie sprang auf und wandte sich ab. »Ich sehe, es bedeutet dir wirklich nichts.«
    Alan drehte sie sanft herum und zog sie an sich. Sie klammerte sich an ihn, als ob sie im Begriff wäre zu stürzen. Sie standen schweigend da, die Arme umeinander geschlungen.
    »Was ist mit uns geschehen?«, fragte er schließlich.
    »Ich weiß es nicht«, sagte Ginny. »Aber mir gefällt es nicht, wie die Dinge laufen.«
    »Mir auch nicht.«
    Während sie sich umarmten, dachte Alan: Es ist so wie früher. Früher war das die simple Antwort auf alles. Ich hielt Ginny fest, und sie hielt mich fest, und es genügte. Alles würde in Ordnung kommen.
    »Lass uns heute Abend nicht mehr darüber reden«, sagte sie schließlich und löste sich von ihm. »Ich muss es überschlafen.«
    »Wir sollten das aber besprechen, Ginny. Es ist wichtig.«
    »Ich weiß, dass es wichtig ist. Aber ich kann im Moment nicht damit umgehen. Es ist zu viel auf einmal. Du redest wie jemand, der in eine Nervenklinik gehört, und ich bin müde und will ins Bett.«
    Als Alan ihr nachsah, wie sie die Treppe hinaufging, fiel ihm ein, dass morgen der Siebenundzwanzigste war. Seine Sprechstundenhilfe hatte ihn daran erinnert, dass die Sprechstunde deswegen später beginnen würde. Er fing am 27. Mai immer später an. Jetzt war nicht gerade die beste Zeit zu fragen, aber vielleicht würde Ginny in diesem Jahr mitkommen.
    »Ginny? Kommst du mit mir mit?«
    Sie drehte sich auf der obersten Stufe um und sah ihn fragend an.
    »Es ist der Siebenundzwanzigste.«
    Ihr Gesicht wurde plötzlich ausdruckslos, ohne jegliches Gefühl. Sie schüttelte stumm den Kopf und ging weiter.
    Er wanderte eine Zeit lang ziellos in der ersten Etage herum. Er fühlte sich verloren und sehr einsam. Wenn er doch nur mit jemandem darüber reden könnte! Der Druck staute sich in ihm in bedrohlichem Maße auf. Wenn er ihn nicht bald rauslassen würde, würde er wirklich verrückt werden.
    Er ging in die Küche, machte sich einen Nescafé und nahm ihn mit ins Wohnzimmer. Er blieb verblüfft stehen, als er sah, dass da bereits eine Tasse stand.
    Wann hatte er die aufgesetzt?
    Mit einem Kopfschütteln schüttete er beide Tassen in der Spüle aus. Er ging zurück ins Wohnzimmer, setzte sich in den Ohrensessel und dachte über die Gabe nach.
    Wie konnte etwas, das eine so segenreiche Wohltat sein müsste, sich zu so einem Fluch entwickeln?
    Er schloss die Augen und versuchte zu schlafen.
     

17. Sylvia
     
    »Da ist er«, sagte Sylvia, als sie Alans Subaru erspähte. Sie beugte sich vor und zeigte über Bas Schulter.
    Ba nickte vom Fahrersitz aus. »Ich sehe ihn, Missus.«
    »Wir werden ihm zur Praxis folgen und ihn abpassen, bevor er hineingeht.«
    Sie hatten Jeffy zur Stanton-Schule gebracht und Sylvia war jetzt auf dem Weg zu Alans Praxis. Sie war entschlossen, mit ihm zu reden, bevor er seinen ersten Patienten empfing.
    Sie lehnte sich in den Rücksitz zurück und fragte

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