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Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe

Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe

Titel: Widersacher-Zyklus 03 - Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Gabe
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Geschichte. Schuld und Selbstvorwürfe hatten für immer etwas in ihr vergiftet.
    Ginny hatte während der Schwangerschaft geraucht. Nur gelegentlich eine Zigarette – sie hatte jahrelang anderthalb Päckchen am Tag geraucht, aber angeblich aufgehört, als sie schwanger wurde. Angeblich. Wenn sie allein im Haus war, hatte sie heimlich geraucht. Nur eine oder zwei am Tag und dann mit Filter.
    Tommys Herzfehler hatte mit ihrem Rauchen nichts zu tun. Nikotin hat in der Schwangerschaft schädliche Auswirkungen auf den Fötus, aber diese Art von Herzfehler hatte keinerlei Bezug zum Rauchen. Die Kinderärzte und Herzspezialisten hatten ihr das versichert, ihr Geburtshelfer hatte es bestätigt, und Alan hatte es wie eine Litanei wiederholt.
    Es spielte für Ginny keine Rolle. Sie hatte für sich entschieden, dass sie verantwortlich war, und niemand konnte sie vom Gegenteil überzeugen. Über die Jahre hinweg hatte sie sich langsam mit Schuld und Selbsthass vergiftet. Sie schottete einen Teil von sich für immer ab und weigerte sich sogar, eine weitere Schwangerschaft auch nur in Erwägung zu ziehen. Sie war der Meinung, sie sei nicht geeignet, ein Kind aufzuziehen, und damit hatte es sich. Auch die Erinnerung an Tommy hatte sie von sich weggeschoben. Niemals erwähnte sie ihn, niemals besuch te sie sein Grab. Es war, als hätte er niemals existiert.
    Alan seufzte beim Fahren. Er wünschte sich fast, dass er das auch könnte. Vielleicht würde es den Schmerz der Wunde lindern, die niemals zu heilen schien; der Wunde, die an jedem 27. Mai erneut aufriss.
    Auf dem Parkplatz herrschte dichtes Gedränge. Ebenso vor dem Haupteingang. Alan erkannte keines der Gesichter. Als er sah, wie all diese fremden Menschen ihn anstarrten, war er froh, dass er schon Vorjahren auf die Arztschilder am Auto verzichtet hatte. Die zwei Male, die sein Auto aufgebrochen und ausgeräumt worden war, hatten ausgereicht, um ihn davon zu überzeugen, dass die wenigen durch die Arztschilder eingeräumten Privilegien den Ärger mit Drogenabhängigen, die das Schloss am Kofferraum knacken, nicht wettmachten. Er fuhr am Parkplatz vorbei zur Rückseite des Gebäudes.
    Seine Arzthelferin Denise kam ihm aufgeregt und außer Atem an der Hintertür entgegen.
    »Gott sei Dank, dass Sie da sind!«, rief sie atemlos. »Das Wartezimmer ist voll mit neuen Patienten! Ich weiß nicht, was ich machen soll! Und sie wollen alle heute untersucht werden – jetzt!«
    »Haben sie das Schild nicht gesehen? ›Nur nach Voranmeldung‹«
    »Ich bezweifle, dass jemand das übersehen kann. Sie haben alle diese Zeitung, The Light , gelesen. Die meisten haben ein Exemplar dabei und fragen, ob Sie der Dr. Bulmer aus dem Artikel seien, und selbst wenn ich sage: ›Ich weiß es nicht‹, antworten sie, dass sie ganz dringend zu Ihnen müssen. Die bitten und betteln, dass ich ihnen einen Termin gebe. Ich weiß nicht, was ich ihnen sagen soll. Ein paar von denen sind dreckig und stinken, und sie vergraulen unsere normalen Patienten.«
    Alan verfluchte The Light , und er verfluchte Joe Metzger, und am meisten verfluchte er sich, weil er die Dinge so weit hatte kommen lassen. Er hätte es wissen müssen, hätte es voraussehen müssen …
    Doch was sollte er jetzt tun? Es war eine unmögliche Situation, er scheute jedoch vor der unangenehmen, wenn auch erforderlichen Entscheidung, die er jetzt treffen musste.
    Er sollte diesen Leuten absagen. Sie kamen zu ihm in der Erwartung, geheilt zu werden, und alles andere wäre eine Enttäuschung, für sie. Sie vorzulassen und dann die Gabe zurückzuhalten, wäre nicht zumutbar.
    Das Problem war, sie erwarteten Wunder. Und wenn er Wunder wirkte, würden sie reden. Gott, und wie sie reden würden! Und dann würden der National Enquirer und der Star und der ganze Rest an seine Tür klopfen und kurz darauf Time und Newsweek .
    Um sich und die Möglichkeit, überhaupt praktizieren zu können, zu schützen, musste er eine Zeit lang kürzertreten. Die Aufregung würde sich schließlich legen, wenn kein weiteres Öl ins Feuer gegossen wurde. Danach könnte er die Gabe wieder benutzen.
    Bis dahin war er nur irgendein Hausarzt. Der gute alte Dr. Bulmer.
    Er hatte keine Wahl. Er stand mit dem Rücken zur Wand und sah keinen Ausweg.
    »Sagen Sie ihnen, dass ich keine neuen Patienten aufnehme«, befahl er Denise.
    Die Arzthelferin rollte ihre Augen nach oben. »Gott sei Dank!«
    »Warum sagen Sie das?«
    »Nun«, antwortete sie plötzlich zögerlich und

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